Es war so klar.
Am Morgen sind all unsere Nachbarn verschwunden. Irdische würden sagen: früh abgereist. Wir aber wissen: der Teleporter ist´s gewesen. Mit einem lauten Zisch um Mitternacht. Nur noch ein paar menschliche Haare blieben übrig, die am Morgen lautlos als letzte Ballen über den Schotter davon wehen.
Lediglich Traudi und Malin hat es nicht erwischt. Die spirituellen Renter rücken beim ersten Kaffee an uns heran, ihre Lebensgeschichte ist lang, aber flott geteilt: Traudi kommt ursprünglich aus München. In einem indischen Ashram hat sie Marlin aus Kalifornien kennengelernt – auf der Suche nach dem inneren Licht. Gemeinsam haben sie es gefunden und sind zusammen nach South Dakota gezogen.
Wir chitchatten bis kurz vor Mittag – vereint als Teleporter-Zurückgelassene. Falls wir auch auf dem Extraterretial Highway nicht weggehapst werden sollten, seien wir immer herzlich nach Arizona –ihr Winterdominizil– eingeladen: „You good spirit people.“ Dicke Umarmung voller Licht und schon sind wir mit zwei Kilo organic grapes und Ökomarshmallows wieder zurück auf der Straße. Einer durchaus einladenden.
In Tonopah decken wir uns in einem Laden namens „Love´s“ noch mal mit dem Nötigsten ein: für den Wüstenberg-Highway 6 und sein mystisches Anschlusssträßchen: den Extraterrestial Highway 375. Von dort aus geht es meist schnurrgerade in Richtung des bekanntesten Militärsperrgebiets der Welt: Area 51. Die letzte zivile Siedlung davor nennt sich Rachel – unser heutiges Etappenziel.
Bereits auf dem Highway Nummer 6 entdeckt Chouchou die erste Ufolandebahn. Unübersehbar verläuft sie parallel zur Straße, niemand hat sich hier Mühe gemacht, sie irgendwie zu verstecken. Außer eines diletanischen Schilds, das auf „low flying aircraft“ macht.
Dass auch die Wüstenwelt daneben heute noch bunter als gestern wirkt, ist eigentlich selbsterklärend.
Die aufgeblähte Kuh am Straßenrand wollten wir eigentlich nicht erwähnen, da –laut Ufologen—verstümmelte Tiere aber vermeidlich zusammenhängende Phänomen mit Ufo-Sichtungen sein sollen, gehört sie leider auch in diesen Text hinein. Ohne Foto.
Der Extraterrestial Highway.
Unter dem Eingangsschild unternehmen wir unseren ersten „Beam me up“-Versuch. Mit Alufolie auf dem Kopf und im rosa Glitzershirt. Wenn wir ehrlich sind, funktioniert das videographisch nur für unseren Instagramaccount. Aber immerhin.
Während der Dreharbeiten halten zwei Bengel aus California neben uns. Sie wirken in dieser Landschaft etwas entrückt; so, als habe die Fakultät für BWL ihnen heute frei gegeben, um sie –rein aus sadistischen Forschungsgründen– mit einem Pilzcocktail auf einen Roadtrip der anderen Art zu schicken. Unser Willkommenssatz: „Wow, you look more normal than expected,“ macht ihnen augenscheinlich Angst. Sie springen zügig zurück in ihren Tesla und nehmen über dampfenden Schotter Reißaus. Komische Aliens.
Wer den 375er zu fahren plant, der muss gewarnt sein:
Einige Besucher berichten auf dieser einsamen Straße von Begegnungen der ersten Art (Ufosichtungen in Entfernungen von weniger als 150 Meter) und von unüblichen Lichterscheinungen. Wir sehen vor allem bunte Weite, freilaufende Kühe, einen Cowboy, Berge, Wüstenallee, irritierenden Aspahltbelag, der kicki im Kopf macht. Nach drei Tagen am Stück in dieser atemberaubenden Landschaft sind aber auch alle anderen Phänomene nachvollziehbar.
Es ist ein bisschen vergleichbar mit der Reise zu den heiligen Orten der Menschheit, ein bisschen wie in der Religion: der Glaube –egal welcher Couleur—passt immer in die Region, in der er entstand. In Jerusalem ist Jesus logisch, am Ganges Ganesha, Mohammed macht in Arabien durchaus Sinn, Buddha in Lumbini und Manitou am Lake Superior. Diesmal also Ufo-Jünger.
Gegen 15h taucht zwischen den Bergen, im flimmernden Tal Rachel am Horizont auf: Pilgerort für Verschwörungstheoretiker und Ufologen. Taucht auf und will und will nicht näher kommen. Für die gefühlten vier Kilometer brauchen wir über 30 Minuten. Gestern schrieb ich bereits vom Verlust des Entfernungsgefühls, von der trügerischen Wüstensicht , nahe der Fatamorgana. Da ist sie wieder. Oder immer noch.
In Rachel gibt es ungefähr hundert Wohnwagen und eine Bar: das A´lie´Inn.
Michael –grüne Bandana, Zauselbart, Alienshirt– steht an der Theke: er schmeißt den wuseligen Laden alleine. Unser Glück, dass er –laut Außenanschlag—neben extraterrestians auch earthlings willkommen heißt.
Ja klar können wir heute Nacht auf dem weiten Feld vor der Bar bleiben: welcome in the middle of nowhere. Und das Ufo vor der Tür blinkt freundlich mit den Lämpchen.
Auf weitem Terrain parken wir –bestens sichtbar für Irdische und Außerirdische– ein. Ein perfekter Schnapper für jedes unbekannte Flugobjekt, quasi: Präsentierteller. Drehort Nummer zwei für ein Globetrottels´ Alienvideo, Episode: erfolgreiche Ufo-Sichtung. Dann haben wir Hunger.
>Im dunklen Etablissement serviert Michael uns seine world famous Alien burger vegetarisch: die ersten je, wie ein Unsichtbarer aus der Küche bestätigt. Im Fernsehen läuft derweil E.T., die Wände stumm und zugekleistert mit Fotos von fliegenden Untertassen. Souvenirs gibt´s auch – zum größten Teil unausgepackt in Lieferkartons auf dem Billiardtisch. Endlich bekommt Chouchou sein erstes Reisemitbringsel – momentan noch ohne Taufnamen.
Die dicken Hähne im Staub staunen nicht schlecht, als wir zu dritt aus dem A´ lie´ Inn in die scheidende Sonne hinaustreten: Eine wundersame Mehrung der Globetrottels. Mit Rudi, Sir Hilly und Ömmes ohne Namen sind wir nun also zu fünft.
19h: Fünf Globetrottels in der tiefschwarzen Wüste Nevadas. Es ist still. Sehr still. Verdächtig still.
In Area 51 –in 20 Meilen Entfernung– beginnen womöglich gerade geheime Versuche: wenn die Sonne untergegangen ist und kein Mensch mehr guckt.
Außer zwei hochhausgroßen, grün fluoreszierenden Embryoglupschern, die möglicherweise gleich am Himmel auftauchen…