Unterwegs im Magicbus

Monat: Juli 2023

Be happy — it´s Canadaday // Be happy –it´s a happy day

Die letzten 48 Stunden haben wir uns ganz dem Yukon in seinen verschiedensten Formen hingegeben.
Kilometer lang spazieren – durch endloses Grün. Von einer Bärenwarnung an den Hidden Lakes verjagt, genießen wir hoch oben über Whitehorse die Aussicht über den See ganz bärenfrei. Bierchen am Fluss in unserem geheimen Park, Ackerschachtelhalmträume im Unterholz, ein umgedrehter Regenbogen über uns.

Dann Canadatag mit den Yukonern feiern im Shipyardpark und noch eine Runde Adäka Kulturfest der First Nation.

Den Abend verbringen wir mit unseren Nachbarn Paul, Louise, Gesicca und Antoine. Sie alle leben tief im Yukon in einem 400 Seelen Dorf, 500 Kilometer von Whitehorse entfernt, erreichbar nur über eine Schotterstraße. An diesem Abend dürfen wir ganz tief eintauchen und Geschichten hören, wie es sich am Ende der Welt lebt. Mit schönen Seiten und allen Problemen, die das Leben so ausmachen können.
Winter mit bis zu 50 Grad minus.
Keinerlei Gesundheitsversorgung vor Ort: der nächste Arzt in 500 Kilometern Entfernung, kommt einmal im Monat mit dem Auto vorbei. Insbesondere die „mental health“ Probleme seien gravierend. An einem Punkt der Konversation wird an uns die Bitte herangetragen, doch eine psychiatrische Praxis im Ort zu eröffnen, es würde so händeringend Hilfe gebraucht.
Alle vier arbeiten in der ortsansäßigen Miene – oder das, was von ihr übrig blieb. Mittlerweile geht es nicht mehr um den Abbau von Zink, sondern darum, die Umweltschäden „the day after“ wieder aufzuräumen.
Alkohol und Gewalt sind zentrale Themen: Letztes Jahr hat ein Verrückter zwei Menschen im Dorf abgeknallt, seitdem käme von außerhalb niemand mehr. Und jagen und fischen: wir sehen Fotos eines erschossenen Elchs –mittlerweile auf vier Tiefkühltruhen verteilt. Das Fleisch hält über den Winter satt. Frisches Gemüse gibt es nur im Sommer in einem Tante Emma Laden, aber von so schlechter Qualität, dass man besser das selbst Angebaute isst. Wenn es in den zwei Sommermonaten denn wächst im eigenen Garten.
Wir reden über die weiterhin bestehende Trennung von Aborigines und Non-Aboriginies. „They don´t like us“, über Louises schwerkranke Freundin und die morgige Hochzeit der Tochter. Darum sind alle vier hier. Das Geld aber ist so knapp, dass alle –Brautmutter und –vater und –schwester und -schwager– im Zelt übernachten. Die Einladung auf Bierchen bleibt trotzdem nicht aus: Herzlichkeit und Gastfreundschaft inklusive. Morgens machen sich alle im Regen fertig für das bevorstehende Event. Bester Zwirn im Vorzelt. Louise wird nach über 20 Jahren ihren Exmann treffen, der sie so sehr vermöbelt hat, dass sie ans Ende der Welt geflohen ist. Sie hat Angst. Es wird sicher dynamisch werden.

Nach diesem Abend –an dem wir gnadenlos unter den Tisch gesoffen werden—sind wir dankbar. Für so vieles. Für unser Rundumsorglosleben, für die endlose Gastfreundschaft von Menschen, die kaum etwas zu teilen haben und es trotzdem so freigiebig tun. Wir sind dankbar für die kurzen Einblicke in ein Leben, das unserem so fern ist, dankbar für so viel Herzlichkeit und demütig. Unser Leben ist eines der einfachsten und sorgenfreiesten, das man auf dieser Erde führen kann. Eigentlich haben wir immer in unserem Leben so unglaublich viel Glück gehabt, beschützt durch einen guten Stern und ganz ohne eigenes Zutun. Sonntagskinder, die täglich warm essen können – was auch immer wir wollen, wieviel auch immer wir wollen. Und ein Arzt um Eck.
Und so sind so Abende wie diese unfassbar kostbare Momente einer großen Reise. Weil es nicht immer nur um die Schönheit der Erde geht, sondern oft auch darum, das eigene Leben in Relation zu setzen. In Relation zu einer Welt, in der es vielen Menschen nicht so einfach gemacht wird, einfach gut leben zu dürfen. Unglaublich, wieviel Glück wir haben…

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