Unterwegs im Magicbus

Monat: September 2023 (Seite 2 von 3)

…und dann war sie wirklich da: Die Ukulele von Ukee

Eine weitere Runde auf dem Wild Pacific Trail, den man sicherlich nicht nur zweimal gehen kann, sondern sein Leben lang und trotzdem immer wieder Neues entdeckt.
Wir tippeln heute die Verlängerung um den Leuchtturm entlang, der weniger Turm, denn Leuchtkasten ist. Möglicherweise hat´s daher auch eine Heulboje im Wasser – die ruft: Achtung, der Kasten ist ein verkleideter Turm. Tagein, tagaus. Und die Seelöwen antworten.
Der Pazifik ist heute deutlich ruhiger als an den Tagen zuvor und der Urwald tropft nicht mehr.
Diese Küste bleibt eine der schönsten, die ich in meinem Leben bisher gesehen habe. Und noch etwas hebt den Zauber.

Auf dem Trail finden heute künstlerische Installationen statt. Heritage Art Festival im Urwald mit Blick aufs Meer.
In verwinkelten Ecken, im dunklen Unterholz, auf sonnigen Aussichtsplattformen malen, tanzen, musizieren, modellieren Menschen – teilweise ganz für sich alleine, manchmal mit einem oder drei Zuschauern.

Didgeridoo und Handpan, ein Ewiglächelnder tanzt mit blauem Haar auf Wurzeln, eine alte Dame malt das Unterholz. Die Globetrottels dürfen privaten Konzerten lauschen und applaudieren mit den Kobolden.
Wer nicht an Magie in dieser Ecke der Welt glaubt, wird spätestens am Ende des Trails vom Gegenteil überzeugt. Denn da steht Laura im strahlenden Sonnenschein, ihre zwei Hundis zu Füßen, die so schmusig sind, dass sie mir fast in den Rucksack kriechen. Im Hintergrund rauscht der heute so milde Pazifik, Laura spielt nur für die Wellen und uns. Auf einer Ukulele.
Es ist wahr: Laura, the good girl und ihre Ukulele.

Manchmal braucht es Höhepunkte wie diese, um neue Dinge in Angriff zu nehmen.
Nachdem wir für dePabels den besten Ort in Ukee gefunden haben, damit er den verschlafenen Hafen, die schaukelnden Boote, die bellenden Seelöwen und die Orcas im Winter für immer beobachten kann, überlegen wir das erste Mal, wie unsere Reise nun konkret weitergehen soll, nachdem der Magicbus nächsten Dienstag sein Wellnessprogramm in Vancouver erhalten hat.

Das erste Mal nehmen wir die Reiseführer über die USA in die Hand.
Bunte Aussichten vor buntem Hafen. Es fühlt sich nach Etappe an.
Mit Ukulelenbegleitung.

Ukkeurlaubstag

Ein weiterer Urlaubstag.
Das Wetter meint es gut mit uns: bis zwei regnet es wie aus Eimern, wir dürfen also lange eingekuschelt bleiben, den Tröpfchen auf dem Bullidach lauschen, viele Kaffee bei bollernder Heizung trinken, lesen, ein Reh beim Spaziergang durchs trockene Hafenbecken beobachten und Podcasts hören.

Ab zwei reißt der Himmel auf. Also machen auch wir uns los, heute wirklich nur auf einen Spaziergang. Einmal dem Pazifik Hallo sagen.

Dorthin geht’s durch die schönste Straße des Orts: den Rainforest Drive.
Dürfte ich eine Traumstraße entwerfen, dann wäre es eine wie der Rainforest Drive:
Mitten im Urwald stehen vereinzelte Häuser zurückgesetzt, alle organisch designt, meist autark und nachhaltig gebaut, sich unauffällig in die Landschaft einfügend. Meist mit kleinen Gewächshäusern daneben. Für Kanada so unübliche Rad-und Gehwege, beidseits von wildem Bewuchs beschützt, auf der Straße stehen keine Autos, es fährt auch keines.

Ein Reh spaziert durch einen Vorgarten: mit Nichten scheu, mit der Gewissheit, dass ihm nichts passieren kann. Stille zwischen alten Bäumen, eine surreale Szenerie. Und dann spuckt die Straße einen direkt am Ozean aus.

Traumwohngegend. Und sicherlich unbezahlbar. Das Durchflanieren und Träumen aber ist kostenlos.

Nachdem wir mit Blick auf den Pazifik still noch einige Stunden weiterträumen, passiert auch nicht mehr viel.

Zurückflaniert durchs Dörfchen im Sonnenschein, Leckrigkeiten eingekauft, die Beute mal wieder in unseren sicheren Hafen zurückgetragen. Die Boote dort sind heute auch faul: in Ukkes Hafen regt sich genauso wenig wie in und um den Magicbus. Es passt.
Heute wird es Nüdelchen geben. Und noch ein Buch. Und einen Film. Neben dem, der vor unseren Fenstern läuft: fauler Hafen im Abendsonnenschein.
Nur das Plappern der Nachbarn durchschneidet die Ruhe – damit man nicht allzu sehr ins Träumen verfällt.

Die Brandung von Ukee

Mit zuckersüßen Brombeeren aus unserem Hafenhintergarten zwischen den Zähnen gehen wir ins Bett. Das Bellen der Seelöwen wufft uns in den Schlaf. Womöglich beschweren sie sich über nasse Flossen, da über Nacht eine Geheimflut Ukulele –liebevoll auch Ukee genannt– heimgesucht hat.

Am Morgen tänzelt ein Adler im trockenen Hafenbecken. Ein Koloss gegen die Spätzchen, die ihn hektisch umfliegen. Ebbe ist Vogelbuffet: Muscheln und Seewürmchen all you can eat an einem Montag Morgen. Und alle (außer Muscheln und Würmern) sind begeistert.

Nach gefühlt wochenlangem Sitzen ist heute ein „Aktivsurlaubstag“ angesagt. So nennt man das doch, wenn Menschen über 40 sich –nur weil Urlaub ist—zu einem Spaziergang aufraffen. Voll ausgestattet mit Wanderbuxe, Tourenrucksack und Bärenspray. Damit wenigstens alle anderen denken, wie unfassbar sportlich und außerordentlich gut vorbereitet das entgegenkommende Paar doch ist. 15 Kilometer Agility für Globetrottels. Jaja, Aktivurlaub haben wir in Kanada gemacht. In Jack Wolfskin. Und Partnerlook.. . So weit isset schon…

Der Wild Pacific Trail taucht nicht ohne Grund in mehreren Trekkingführern als Highlight leichterer Nordamerikawanderungen auf.
Die Wege sind gut ausgebaut und easy begehbar. Der originäre Trail ist nur 8 Kilometer lang, er kann beliebig abgekürzt oder verlängert werden. Immer an der wellenumtosten, rauen Küste entlang, immer durch wilden Urwald, in dem nicht nur Bären unterwegs sind, sondern ausnahmsweise auch Wölfe und Pumas.
Da Pumas vor allem Jagd auf Kleinkinder machen –lahme Beute, zartes Fleisch–, fürchten wir uns—lahme Beute, zähes Fleisch– nicht allzu sehr. Und Wölfe sind für Chouchou als Hundeflüsterer eh kein Problem.

Wild Pacific Trail. Was für ein Traum – bei 16 Grad und Sonnenschein.
Stundenlang wilden Wellen beim Branden zuschauen, Seehündchen im Wasser, zwei schwarz-gelbe Schlangen an Land und auch eine Schnecke im Orca-Look begegnet uns. Kein Wunder: wir laufen das gleiche Tempo.

Wieder Riesenlebensbäume zum Umarmen, Farn, der nach gigantischem Rucola aussieht (leider kein Balsamico dabei), verworrene Äste, MoosMoosMoos zur linken.

Zur rechten zornig schäumende Brandung an unverwüstbarem Fels, donnern und tosen, ungezähmte Naturgewalt. Stundenlang.

Harter Ü40-Aktivurlaub macht natürlich großen Appetit.
Also gönnen wir uns heute obendrein, dass jemand anderes unser Essen kocht.
In Ukee Downtown gibt es bei »Ukee Dogs« feine Burritos und Veggie Hot Dogs mit einem süßlichen Pale Ale, das nach Sommeraktivurlaub schmeckt. Wir teilen die besten Pommes der Welt nicht mit den hungrigen Krähen, die das Etablissement krächzend umkreisen, nur eine sauflustige Biene verirrt sich in Chouchous Pale Ale und schwebt nach ihrer Rettung fröhlich-beschwipst von dannen.

In ähnlicher Schwingung geht’s auch für uns wieder zurück nach Hause in unseren sicheren Hafen.

Zwei Schritte am Bayshore Waterfront Inn vorbei hören wir sie schon wieder: Seelöwen, die sich über nasse Flossen beschweren. Denn die Flut im Fjord ist erneut zurück.

Und so setzen wir auf die 15 Tageskilometer noch ein paar wenige drauf: auf der Suche nach den bellenden Löwen.
Doch egal, welche der umliegenden drei Buchten wir abklappern: die Maunzis sind zu hören, aber so gut getarnt, dass wir sie einfach nicht entdecken können.
Ein Faszinosum: enorm dicke Seelöwen mit enorm lauten Schnäuzchen, die sich unsichtbar machen können. Und Möwen, die übers Wasser gehen: Jesus-Möwen.
Sowas gibt es nur in Ukee.

Ukulelespielende Lebensbäume oder: TransKanada — einmal durch mit die Globetrottels

Unser Weg ist heute nicht weit: 128km bis Ucluelet, das wir hartnäckig Ukulele nennen. Einfach, weil wir zu faul sind uns den richtigen Ortsnamen zu merken und weil Ukulele nach „Somewhere over the rainbow“ und Strandurlaub klingt. Etwas schade ist das schon. Auch weil Ucluelet in der hiesigen Sprache der First Nations „sicherer Hafen“ bedeutet. Sicherer Hafen, der westlichste Punkt unserer Kanadareise.
Hier können wir es nun wirklich behaupten: wir haben Kanada von Ost nach West durchquert. Vom Atlantik, ober die großen Seen, durch die Prärie, über die Rockies bis an den Pazifik. Eigentlich Zeit für ein Ständchen an der Westküste von Vancouver Island. Auf einer Ukulele natürlich.
Aber noch sind wir ja gar nicht da.

Man hat uns vor dieser Straße entzückend gewarnt: kurvig sei´s und etwas hopplig und auf und ab. Die Wunder am Wegesrand wurden verschwiegen. Das Unerwähnte und das Erwähnte soll uns viereinhalb Stunden kosten. Für 128 Kilometer. Unbezahlbar. Unerwartet.

Nur auf Grund eines kurzen Affekts halten wir am Cathedral Grove. Weil mir plötzlich das Wörtchen „dramatisch“ im Hirn rumschwirrt. Stand das nicht gestern auf einem bescheidenen Schild an den Qualicum Falls: Enjoy the small and hidden beauty of Qualicum Falls. Even if it´s less dramatic than Cathedral Grove…
Chouchou steigt in die Eisen. Schauen wir uns den „Kathedralen Hain“ an – wenn er schon am Wegesrand liegt. Wir sind vollkommen unvorbereitet.

Keine Wortkombination hätte besser treffen können, was auf diesen bequem ausgebauten und gut besuchten Wegen auf uns wartet: Cathedrale grove, der Kathedralen Hain.
Bis zu 800 Jahre alte Baumriesen –einige davon die ältesten und größten Kanadas—bewachen die engen Pfade. Ihre Kronen wachsen bis in den Himmel auf einem Teppich aus Farn. Eine Welt von weichen Moosen bedeckt, ein Urwald wie aus dem Märchenland.
Douglasien bis zu 80 Metern hoch neben Küstentannen, neben Riesen-Lebensbäumen. Wie passend, dass „Thuja plicata“ oder „western red cedar“ tatsächlich übersetzt so heißt: Riesen-Lebensbaum.
Knorrige Stämme, die sich nur von einer Menschenkette umarmen ließen, zu zweit kommen wir nicht ein Viertel rum. Bäume, die schon im hohen Mittelalter Europas hier standen und lauschten. Nur wenige Sonnenstrahlen kämpfen sich durch ein Blätterdach, das die Erde beschützt, das uns beschützt.
Man spürt, dass hier uraltes Leben pulsiert, Bäume, die wortlos sprechen können. Kommunikation von oben aus den Kronen, von unten aus den Wurzeln macht so demütig, dass die Faxen fast von alleine ausbleiben. Aber nur fast. Hat ja keiner gesagt, dass man an hochspirituellen Orten nicht scherzen darf…

Ergriffen geht’s weiter auf der Straße, vor der ja entzückt gewarnt wurde. Und jedes Wort stimmte.

40km/h als Standard-Geschwindigkeitsbegrenzung, brüchiger Asphalt, Steigungen bis zu 18 Prozent. Das Schild „Slow“ muss uns nicht warnen, der Magicbus macht hier eh nur noch maximal 25 Kilometer pro Stunde, während er die Hit-Compilation der 90ties mehrstimmig rauf und runter jault: „Rhythm is a dancer“, „Boom-shacka-lacka“ und „Life in the streets isn´t easy“. Es ist ein schieres Wunder, dass er wirklich noch fährt: unser Magicbus.
Eigentlich könnte uns der Staat British Columbia als mobile Verkehrsberuhigung einstellen. Im Gebirge könnten wir sogar –natürlich gegen Aufpreis—auch einen Verkehrsstillstand anbieten. Weil Kanadier sich meist nicht trauen zu überholen. Es würde Hunderte von „Slow“- und „Blinki-Blinki-30km/h-Ausrufezeichen“-Schildern einsparen.

Vorbei an türkisblauen Creeks (der Himmel kann hier ausnahmsweise nicht verantwortlich sein, da es zu regnen begonnen hat und das Zelt mausgrau ist), einem „1000 nice bears in the area“-Schild und einer Fliegenpilzinstallation im Nichts landen wir irgendwann trotzdem im Nationalpark „Pacific rim“. Mit sieben Kilometern Autoschlange im Schlepptau.

Da ist er also nun wirklich: der pazifische Rand, unser westlichstes Ende Kanadas.

In Ucluelet parken wir am Hafen ein. Erste Reihe. Ab hier ist nix mehr, nur nachts bellen manchmal die Seelöwen, behauptet Shelly, unsere Campingmom.

Ein erster Dorfrundgang gibt uns ein gutes Gefühl. Dieser Ort fühlt sich richtig für uns an.
Trotz Regen. Oder gerade deshalb!?

Ucluelet: „sicherer Hafen“. Hier endet also unsere TransKanadaReise.
Kanada: einmal durch mit den Globetrottels.
Wie schön, dass Ihr uns bis hier hin begleitet habt.
Und wer von Euch spielt jetzt die Ukulele?

Die Kunst des „Ruhig mal auslassens“ auf Vancouver Island

Enorm, wie schwungvoll und lautstark der Flügelschlag der Raben ist.
Es ist das erste, das wir nach dem Erwachen hören. Rabenschwarzes Flügelschlagen. Der beste Sound, um in den heutigen Urlaubstag zu starten.

Vancouver Island wird für uns genau das sein: Urlaubsinsel. Das haben wir uns fest vorgenommen.
Urlaub, das heißt in unserem Fall: wenig fahren, ruhig mal auslassen können. Länger an einem Ort bleiben, denn auf zwei Hochzeiten gleichzeitig. Nicht alles mitnehmen müssen, vor allem keine Abenteuer. Damit fallen alle Schotterstrecken schon mal weg.
Ein jeder Vancouver Island Reisender mag nun die Hände über dem Kopf zusammen schlagen: „Wie könnt ihr nur!? Damit entgeht euch das Beste der Insel.“
Mag sein. Macht nix. Denn wir haben Urlaub. Die „dürfen, dürfen“-Nummer. Ausschnaufen.

Länger an einem Ort: damit fangen wir hier an den Little Qualicum Falls an.
Heute wird nicht umgeparkt, heute wird geblieben. An den Wasserfällen in einem wilden, verwunschenen Urwald für deren Besichtigung wir uns eine Menge Zeit nehmen.
In SlowMotion, im Schleichgang. Und plötzlich fließt auch das Wasser langsamer. Und die Zeit.

Nur eine Mopedgang stört für eine halbe Stunde die Stille:
Hunderte von knatternden Bikes starten am Parkplatz des Upper Falls zu einer Charity Fahrt. Viele von ihnen verkleidet, die meisten mit einem Kuscheltier auf der Sissibar.
Der Startschuss wirkt so fehl am Platz, dass es surreal wird. Und auch ein bisschen zauberhaft.
Röhrende, bunte Mopeds mit langbärtigen Bösewichten obendrauf, die ihre Freude –egal wie hart probiert– nicht überspielen können.
Große Jungs auf sehr lauten Spielzeugen – mit Teddys auf der Rückbank.

Ansonsten passiert heute nicht mehr viel.
Einmal noch heiß Duschen – mit kompletten Wellnessprogramm und einmal lecker kochen – auf zwei Platten. Es gibt gefüllte Paprika aus dem Omnia-Ofen. Frisch, bio und regional aus Ashcroft. Das beste Essen seit langem.

Und weil heute Urlaubstag ist –und damit bewusster Mut zur Lücke—ziehe ich mich nun aufs „ruhig mal auslassen“ zurück.
Ruhig mal Details heute auslassen. Die Kreativität: auslassen. Den Computer: weitestgehend mal auslassen. Daher gibt es nur einen kurzen Text.
Einen auslassenden.

Von Waschbär, Werkstatt, Wallockstoff und Wasserfällen

Die Morgene am Cultus Lake: immer für eine Überraschung gut.
Gestern war es der platte Reifen, heute –beim zweiten Kaffee—bekommen wir höchsten Besuch.
Es raschelt, ein Schemen blitzt vorüber, weg und dann wieder da. Frech und selbstbewusst in voller Größe hopst er auf den Tisch: ein Waschbär mit dem Plan, einen Überblick über das Essensangebot zu bekommen.
Waschbär – tatsächlich in dieser Präsenz unser Erster der gesamten Reise. Vom einem nächtlichen Überraschungsbesuch am Feuer –irgendwo am Anfang von Ontario—mal abgesehen.
Waschbär, einer der ganz großen „very important animals“ , die der liebe Gott sich so ausgedacht hat. Der Morgen also fängt mal wieder an mit „bis über beide Ohren verliebt“. Und das trotz des kleinen Disputs, den wir haben. Denn der kleine Zorro will unseren Müll und wir wollen es nicht. Er zieht also etwas beleidigt mit seiner Augenbinde von dannen.

Noch knappe Hundert Kilometer bis Vancouver.
Kilometer, die sich mal wieder durch Farmland ziehen, teils mit schrulligen Dingen am Wegesrand. Ein Schild mahnt: „Vision limited“ und dann kommt auch schon die große Stadt in Sicht: Vancouver. Angeblich eine der lebenswertesten Städte der Welt.

Für uns ist Vancouver vor allem eins: Rettender Hafen für den Magicbus.
In Burnaby haben wir einen Bulliexperten ausgegraben: jemand, der sich mit Liebe und großer Expertise alten Eurovans widmet.
Jaulend biegen wir auf den Parkplatz ein, im Schatten von Wolkenkratzern und zweifarbigen Bäumchen, Ben eilt sofort herbei.

Mit Stethoskop bewaffnet kullert er sich unter den Magicbus. Hört, kullert zurück und spricht die erlösenden Worte: alles eigentlich gar nicht mal so schlimm.
Bens erster Impuls: es ist am ehesten der Spanner des kleinen Keilriemens. Nichts Kapitales, aber so geht´s auf Dauer tatsächlich nicht mehr. Der Bulli muss unters Messer.
Nicht sofort, bis Vancouver Island können wir –sehr wahrscheinlich– erstmal weiter. Natürlich auf die Gefahr hin, dass uns der Keilriemen immer um die Ohren fliegen kann. Das würde aber maximal bedeuten, dass wir zur Werkstatt zurück geschleppt werden müssen und dann flickt man das. Den Motor zerfetzt das nicht. Genau das wollen wir hören.
Nach kurzen Beratungen einigen wir uns, dass Ben einen neuen Spanner bestellt. Und –wenn er gerade schon dabei ist– dann nehmen wir auch noch zwei neue Vorderreifen und einen frischen Luftfilter.
In zehn Tagen werden wir zurück sein: für Magicbuswellness.
Davor dürfen wir noch Vancouver Island erobern.
Unsere gebuchte Fähre erreichen wir pünktlich – trotz des ausführlichen Chats mit Ben. Ein wenig so, als wäre alles minutiös geplant gewesen. Ein wenig verrückt ist es schon: wenn alles reibungslos läuft.

Für die Fährüberfahrt habe ich mich extra schick gemacht. Manchmal schwimmen Orcas in diesen Gewässern. Sollte das heute so sein, sollen die mich nur von meiner Schokoseite sehen. Es wäre für uns alle das erste Mal und der erste Eindruck zählt bekanntermaßen. Ich trete also mit pinkem Glitzertop an. Der Kahn tutet lautstark.

Ein Seehund, eine mystische Aussicht auf Vancouver Downtown, die Auferstehung von Keith Flint und ganz viel wildes Blau später weiß ich: es war sinnlos.

Pinkes Glitzer scheint nicht Orcalockstoff Nummer eins zu sein, denn die Riesen lassen sich nicht blicken. Wal-los rollen wir lautstark auf die Insel.
Welcome to Vancouver Island.

Vancouver Island.
Sehnsuchtsort für viele. Der Lonely Planet hat diesem überschaubaren Landstrich eine eigene Ausgabe gewidmet. Wir sind zu allererst mal geschockt.
Blechlawinen rollen sich eng an eng den Berg hoch, der aus Nanaimo herausführt. Fastfoodketten an den Straßenrändern, drängelnde Autos – der Fahrer vor uns hat drei Aufkleber auf der Heckklappe: I love sluts, Tice Nits und Food Guck und gigantische Werbetafeln in Reih. Eine Adlerskultur mit Perlenkette am Straßenrand wundert sich genauso wie wir.

Der erste State Campground ist voll, man schickt uns weiter ins Landesinnere. Hier finden wir allerdings eine herrliche Zuflucht: in einem ruppigen Urwald nahe der Qualicum Wasserfälle.

Und so endet dieser Tag mit Liebe im Herzen: wegen des Waschbärs; mit Zuversicht in der Brust: wegens des Magicbusexpertens und mit Hoffnung zwischen den Fingerspitzen: wegen der Orcas.
Auch wenn die kein Glitzer mögen…
Das nächste Mal werde ich es in einem schwarzweißen Schlauchkleid probieren.

Plattfüße am Cultus Lake, frei und ohne Absicht

In der Nacht haben wir etwas schräg geschlafen. Eigentlich nichts Ungewöhnliches – in einer schrägen Welt. Der erste, zweite, dritte Kaffee hat Schlagseite. Auch das wundert uns nicht, denn vor dem vierten haben wir immer einen Knick in der Optik. Kann so alles sein, im schrägen Normal der Globetrottels. Noch kommen wir nicht darauf, dass es sich beim nächtlichen Kullern in Richtung See, um ein weiteres Special Feature des Magicbus gehandelt hat.

Um 9h machen uns startklar für den ersten Termin seit einem Monat. Das erste Mal in den letzten vier Wochen, dass wir um eine bestimmte Uhrzeit an einem bestimmten Ort sein sollten: 10h, Volkswagen Chilliwack. Daraus soll nichts werden. Beim Runterrollen von den Keilen spüren wir es erst und sehen es dann: der Bulli hat ein Plattfüßchen. Vorerst rollt er so nirgendwo mehr hin.

Unser erster Anruf an Volkswagen geht raus: Cody ist am Apparat.
Dem erkläre ich ausführlich, warum wir es nicht pünktlich schaffen werden. Können wir den Termin eine Stunde nach hinten verschieben? Können wir. Super. Und wenn Cody schon mal dran ist, kann er auch gleich die Telefonseelsorge übernehmen: Cody. Wir haben noch nie einen Reifen gewechselt. Ich habe Angst, Cody. Meinst Du, wir schaffen das?… Cody?! Cody!?…Bist Du noch dran?

Wenn ich nun schreibe: Ja klar, Cody, schaffen wir das, dann ist das WIR schlichtweg geflunkert.
CHOUCHOU schafft es, während ich hektisch und hilflos in der Szenerie herumtänzele.
Und er macht es elegant und globetrottelswürdig: unter vielen Fragezeichen und mit einer vermeintlich falschen Nuss, so dass die Nachbarn schon mit dickeren Nüssen zur Hilfe eilen.
Schlussendlich passt die Nuss doch, nachdem die Plastikabdeckmöpse über den Schrauben (warum sind da Plastikabdeckmöpse drüber!?) mit des Nachbars Monsternuss gnadenlos zerstört wurden. Jetzt lässt sich arbeiten. Kreischendes Aufwuchten von sehr festen, sehr staubigen Reifenschrauben. Ein Wagenheber in der Manege, der quietschend empor steigt. Reifen ab geht leicht. Den Ersatzreifen befreien weniger. Und die Frage aller Fragen: wie herum muss der Neue eigentlich drauf?
Mit zwei linken Handschuhen gar nicht mal einfach, eine Antwort darauf zu finden.

Der Nagel in des Magicbüschens Fuß hat uns eine Stunde Verspätung eingeheimst. Die und ein Coronaausbruch im Mechanikerteam minimieren leider das Wellnessangebot für den Bulli leider erheblich:
Eine ausgiebige Inspektion bei VW Chilliwack ist nicht möglich, erst in eineinhalb Wochen wieder, wenn das Virus sich einmal durchs Team gefressen hat.
Was man machen kann, ist einen Ölwechsel, die Reifenreparatur inklusive Wechsel und ein flotter Rundumblick. Heute Nachmittag um halb vier. Vielleicht. Wir müssen dann nochmal anrufen.

Mittags halb zwölf in Chilliwack.
Nun haben wir hier einen halben Tag gewonnen, einen halben Tag, den wir sonst nicht gehabt hätten. Was ist also los in Chilliwack?
Zuerst besichtigen wir den gut sortierten Walmart und packen den Bulli mit Leckrigkeiten voll. Die Familienpackung Sushi hauen wir uns direkt am VisitorCenter nahe des TranscanadaHighways rein.
Chouchou widmet sich kreativen Schnibbeleien, ich flaniere derweil durch das Pioneer Village …

…und besuche danach im Heritage Park die aktuelle Hundeshow.
Was für eine Freakshow.

Frauen in roten Blazern und Röcken, meist um die fünfzig und herausgeputzt, führen hier den gesamten Tag lang ihre Hunde an der Leine durch eine Manege und werden dafür beklatscht.

Die Fiffis sind genauso zurecht gemacht wie ihre Frauchen. Manche davon bereits jetzt schon „Champions“, sagt mir die Dame mit den vier Bullis, die –so lange sie nicht schaulaufen müssen– in einem extra für Hundeshows designten, portablen Zwinger vor sich hinwarten. Ihrer eigenen Hündin fehlen noch zwei Punkte, dann ist sie kanadischer Bullichamp, sagt die Lady stolz und gibt mir bereitwillig Einblick in eine Welt, die für mich fast so schräg ist, wie der Magicbus am Morgen.

Der Hundeschönheitswettkampf dauert vier Tage lang. So lange bleiben alle Hunde und Frauchen hier. Nachts in riesigen Wohnwagen vor der Tür, tags vom Zwinger, zum Hundefriseur, auf die Bühne und wieder zurück in den Zwinger.

Wenn´s gut läuft, räumt ein unhündischer Fiffi an diesem Donnerstag in Chilliwack gleich mehrere Medaillen ab. Hier werden Champions geboren und ich darf live dabei sein.

15 Uhr: Anruf bei Volkswagen mit der Frage, ob es dabei bleibt, dass wir um halb vier zum Ölwechsel um die Ecke jaulen dürfen. Das passt.
Her-vor-ragend!!

Die nächsten zwei Stunden dürfen wir uns nun hemmungslos am Kaffeeautomaten (Mokkachino, Cappuchino und heiße Schokolade) bedienen, das Internet leer lesen, spannende Gespräche mit Rana und Raj führen, während der Magicbus in drei Minuten neues Öl und den geflickten Reifen wiederbekommt und in einer Stunde und siebenundfünfzig Minuten eine Wäsche inklusive EntmüffelungsInnenraumreinigung anhand von Chemopads, die jeden Wunderbaum gnadenlos in den olfaktorischen Schatten stellen.

Um sechs hat der Bulli frisches Öl im Bauch, den reparierten Nagelreifen wieder am Füßchen und die Sonne neigt sich schon wieder sanft. Da wir es gestern Nacht so fein hatten, fahren wir heute einfach nochmal zurück an den Cultus Lake, der dank Evas Backroundcheck (danke für die Nachricht!) nun in einem gänzlich neuen Licht erscheint:
Der Cultus Lake scheint ein wichtiger Ort für die Sto:lo people zu sein, um spirituelle Fragen zu lösen. Das Wort bedeutet entweder „primär schlecht, wertlos oder für nix gut.“, kann aber auch als „frei, ohne Absicht oder simply nothing“ übersetzt werden.

Heute Abend entscheiden wir uns für den zweiten Bedeutungsstrang.
Ich stürze mich in die Fluten und schwimme der untergehenden Sonne entgegen. Frei und ohne Absicht.

Nur für Chouchou ist das nichts. Er sitzt lieber am Ufer und trinkt in Ruhe sein Bierchen. Schwimmen im frischen Bergsee, das ist für das wasserscheue Tierchen einfach nichts.

Für den einen frei und ohne Absicht, für den anderen simply nothing. Cultus Lake. Morgens und abends mit Plattfuß.

Twentynine and a half in Chilliwack

In Ashcroft verabschiedet man uns wie alte Freunde. Shannon und Stew schreiben uns als alte Insulaner noch flott die besten Camps auf Vancouver Island raus, bevor wir wieder die Straße „hitten“. Shannon sagt, sie könne auf ihrer Terrasse die Orcas zählen und wir freuen uns sehr – auf potentielle Walaussichten und ob so viel freundlicher Zuneigung.

Aus Ashcroft heraus führt nur eine staubige Straße bergan, der Magicbus muss also von Null auf Hundert starten. Das passt ihm gar nicht , das zeigt er uns auch nach dem ersten Kilometer bereits: sein klägliches Heulen soll uns –lauter denn je zuvor– den gesamten Tag begleiten. Eine Geduldsprobe für uns alle. Wie gut, dass VW Chilliwack nicht mehr allzu weit weg ist.

Das Highlight des Tages kommt gleich zu Beginn, noch lange vor Rückkehr auf den transkanadischen Highway. Das berühmt-berüchtigte Obst und Gemüse dieser trockenen, und doch so fruchtbaren Erde, wollen wir uns nicht entgehen lassen. Daher biegen wir an der Desert Hill Ranch erstmal rechts ab. Und landen mitten in Mexiko.

Über der Farm lärmt mexikanische Mukke. Statt Einkaufwagen gibt es einen Bollerkarren für jeden. Ziegen, Hasen und Küken zum Streicheln am Eingang. Das Obst und Gemüse mittenmang in Großverbrauchermengen aufgebahrt, mittendrin wuseln geschäftige Farmersgesellen.
Menschen reisen wegen der hervorragenden Qualität und der unschlagbaren Preise für die vor Ort gezogenen Schätze Hunderte von Kilometern an. In unserem Fall knappe 16400km. Und es lohnt sich.

Wir verlassen die lustige Farm mit Lebensmitteln, die eine Familie über den Winter tragen kann. Und beißen fröhlich in saftige Äpfel, knackiges Sellerie und schmackhafte Tomaten, noch bevor der Bulli das Heulen wieder starten kann.
Also: vor dem Drehen des Zündschlüssels.

Die letzten transkanadischen Highwaykilometer liegen vor uns. Auf der „scenery route“, sagt Shannon. Sie soll Recht behalten.

Wir starten in der Wüste, ackern uns Berge hoch und wieder runter, um in einem Canyon am östlichen Rande der Rockies wieder ausgespuckt zu werden. Bighorn Schafe trotten vorüber, mal wieder ein Buschfeuer und die Adler sind zurück –oder waren sie nie weg? Ich weiß es nicht.
Kanadas Landschaft – in all ihrer Unterschiedlichkeit—war, ist und bleibt atemberaubend.

Apropos „rauben“: Nervenraubend bleibt auch das Dauerheulen des Bullis. Sagte ich schon, wie gut es ist, dass VW Chilliwack nicht mehr all zu weit weg ist?!

Als wir nach den Jackass Mountains (sic!) auf die Trasse gen Vancouver abbiegen, hat sie uns nun tatsächlich gänzlich zurück: die menschliche Zivilisation.

Nichts, wirklich gar nicht nichts, ist hier mehr still. Oder verlassen oder anheimelnd. Und wir ein Stück weit überfordert mit der Gesamtsituation.

Chilliwack. Kurz nach Jackass Mountain.
Zugegeben, der Name ist richtig cool. Das muss aber auch so sein, denn Chilliwack selbst ist durchweg hässlich.
Wir jaulen uns von Rotphase zu Rotphase im dichten Verkehr.
Anheimelnd wirklich sehr adé. Eigentlich wollen wir bereits jetzt wieder zurück in Richtung Einsamkeit.

Kurz hinter Chiliwack liegt der Cultus Lake.
Hinter Golfplatz, Bootsrampe, Wassersuperspaßpark, Casino, Motelkettenstädtchen und Souvenirshops liegt der State Campground. Ziemlich bumsvoll.
Ein halbes Plätzchen hat´s für uns aber noch, „for one night: twentynine and a half“.
Eigentlich ein sehr schönes Motto – wenn man sich zivilisationsgeübt durch ein wildes Nachtleben schlägt, zum Beispiel. Leider sind wir davon noch weit entfernt.

Aber wir werden uns wieder üben: an Menschen, an „zurück in Zivilisation“, vielleicht irgendwann auch wieder in einer Bar. In irgendeinem wilden Nachtleben.

For one night: twentynine and a half.
An einem warmen, kanadischen Sommersee, Zehen in die Wellen tauchen, eine verheißende Sonne geht leuchtend über Bergen kurz vor den USA unter.

For one more night twentynine and a half in Chilliwack.
Für eine Nacht mal wieder neunundzwanzigeinhalb sein. KnickKnäck in Chilliwack.
29 and a half. With a great vision and a pocket full of dreams and a dad.
Sounds good. Das nehmen wir.

Dürfen, dürfen statt müssen, müssen in Ashcroft

Weiter geht´s durch dieses weite Land. Hinter Ten Mile Lake noch immer Mennoniten regiert, noch immer an riesigen Farmen vorbei.

Vorbei fliegende Örtchen sind –etwas lieblos—einfach nach der Meilenanzahl des Cariboo Highways benannt. Warum auch immer in Meilen– in einem Land, das eigentlich in Kilometern denkt!? Kamen die Mennoniten womöglich aus dem, ebenfalls in Meilen denkenen, Britannien? Heute bin ich zu faul zu recherchieren und lasse es beim mich-wundern.

Entspannende Weite, weniger spektakulär als im hohen Norden, vielleicht ist es eben gerade dies, was den Hirnwindungen heute ganz gut tut. Entspannende Weite und, dass es heute auch keine spannenden Zwischenfälle gibt. Außer ein Reh auf der Straße in einem Meile X Ort.

Wenn man gerade nicht ungeteilte Gedanken denkt, hat es etwas von Fahrmeditation.

In Williams Lake machen wir Kaffee- und Recherchepause bei Tim Hortons.
Der Bulli hat nun einen Termin bei VW kurz vor Vancouver am Donnerstag Morgen. In Chilliwack.
Ernsthaft, der Ort heißt wirklich so: Chilliwack.
Wollte man sich seinen eigenen Charakter zusammenkleistern, würde ich meinem zweifelsohne den Geburtsort Chilliwack zuteilen.
Geboren und aufgewachsen in Chiliwack, im Erwachsenenalter einen Saloon eröffnet mit dem Namen Präemesis. So sehen –unter vielen anderen—manchmal meine Tagträume aus.

Hinter Williams Lake ändert sich die Szenerei dramatisch. Aus lieblich anmutendem Farmland mit Bärchen drin wird ziemlich zackig Steppe. Die trockenste Gegend Kanadas liegt plötzlich vor uns. Unerwartet. Gelbes Land mit wüstenartigem Gestrüpp, nur wo großzügig gewässert wird, zieht sich ein surrealer Streifen Grün hindurch.
So geht es bis Ashcroft.

In Ashcroft bleiben wir heute Nacht. Am Thompson River.

Aus der Zeit gefallenes Ashcroft, das sich selbst betitelt als „Oase in Kanadas einzig echter Wüste“ und damit wirbt, dass uns hier „Wellness erwartet“. Wo und wie auch immer.

Eines jedoch wirkt sofort: wir sind des Abends –nach Camp aufbauen, Kochen und die gesamte Wäsche (inklusive Bettwäsche & Handtücher) von einer Maschine (!) durchwaschen lassen– so entspannt, dass wir das erste Mal beschließen, heute Abend nicht zu bloggen. Heute hat das bis Morgen Zeit.

Erstmal schlafen wir unter Zügen, die auch des Nachts durch die karge Berglandschaft rattern…

Nach einem Nachtspaziergang durch den verlassenen Ort natürlich.

Am nächsten Morgen haben wir –trotz vier nächtlichen, beherzten Tutern direkt in die Ohren—ausgezeichnet geschlafen. Und sind noch immer zu faul zum Bloggen. Später… auch heute ist noch: später….Zeit.
Ashcroft hat eine befreiende Wirkung auf uns: Nicht müssen, müssen, sondern dürfen, dürfen….

Da wir kein Brot mehr im Vorratskörbchen haben (und bis mittags zu faul sind, zum Bäcker ummeEcke zu gehen), probieren wir das erste Mal in unserem Leben Porridge zum Frühstück. Mit Apfel und Ahornsirup. Sorry, is nix für uns. Also: nix, außer sättigend. Da wir heute aber dürfen, dürfen haben, müssen, müssen wir auch nicht aufessen. Der Brei bleibt für die Götter. Gott sei Dank.

Da wir uns beim gestrigen Abendspaziergang bereits in diesen Ort verliebt haben, haben wir uns entschlossen zwei Nächte zu bleiben. Und nehmen uns heute Mittag Zeit, das Örtchen ohne Stress zu genießen.
In Ashcroft hat man sich augenscheinlich so viel Mühe gegeben: So gut wie jede Ecke ist liebevoll gestaltet und gepflegt. Begonnen bei Privathäusern, über Kunst an den Straßenecken, über den liebevollen Heritagepark, hin zum kleinen Café und der Ökobäckerei, die die dicksten Cinnamonrolls der Welt verkauft. Selbst der lokale Supermarkt hat sich rausgeputzt – nicht für Touristen, den derer gibt es nicht viele, sondern einfach für seine Leutchen selbst. Ashcroft gibt sich Mühe für sich selbst.
Das ist einfach schön miterleben zu dürfen, dürfen.

Am Nachmittag schenkt uns der Himmel warmen Niesel.
Gut für Ashcroft, das wegen der Trockenheit bereits jetzt eine Wasserbegrenzung rausgegeben hat.
Gut für uns, wir dürfen, dürfen einfach im und am Magicbus chillen: Lesen, Restechili und köstliche Weintrauben essen (der hiesige Boden erweist sich –wenn bewässert—als äußerst fruchtbar, so dass die Gegend für ihr ausgezeichnetes Gemüse und Obst bekannt ist), dösen, Tee trinken, der transkanadischen Eisenbahn beim Knattern und dem Thompson River beim Fließen zuhören. Sein. Dürfen, dürfen.
Der erste Tag seit langem ohne Plan und Fahren –genau genommen seit Anchor Point, Alaska. Das war vor 16 Tagen…

Und so ist Ashcroft –ganz ungeplant und unerwartet– für uns tatsächlich der Ort, „where wellness awaits you“.
Die Globetrottels im Sonntagsgroove.
Dürfen, dürfen statt müssen, müssen.
Eigentlich dürften wir das öfter mal so machen. Nicht nur in Ashcroft.

On the highway: Gelbkopf nach Caribou

Das Tuten der transcanadischen Eisenbahn begleitet uns in den Schlaf: weit genug weg, dass es keine Herzklabaster macht, nah genug dran, dass es romantisch wirkt. Transkanadische Eisenbahn – es ist lange her, dass wir Dich gehört haben. Zivilisation – auch nach Mitternacht.

Unter einer trüben Sonne erwachen wir und halten den Film überm Fluss noch für Morgendunst. Ein paar Kanadagänse fliegen laut krakelend vorüber. Servus, alpines Smithers. Guat geschloafen hams, die Globetrottels. Auch wenn Chouchous Haarbändel über Nacht das Weite suchte. Zwischen zwei und drei hat es vielleicht einen Evolutionsschritt zum Meerschwein vollbracht und ist in den Wald geflohen. Wir werden es nie erfahren. Und Chouchou mit offenen Haaren.

Zurück auf dem Yellowhead Highway. Eine Straße, die einfach keinen wirklich guten Spirit entwickeln will. Woran es liegt, kann ich kaum sagen.

Zweifelsohne sind wir hier in Pioneerland: große Bibelslogans an den Straßen. Man bemängelt ein fehlendes Abtreibungsverbot im heiligen Lande Kanadas. Riesige Farmen mit großen, schwarzen Rindern auf den Feldern, steroidgeschwängert. Pferdekutschen dürfen überholt werden – solange man nicht abgetrieben hat, natürlich. Holländische Städtenamen, christliche Splitterkirchlein am Wegesrand, die sehr wahrscheinlich das Neue Testament des 16. Jahrhunderts lehren. Heute sind sie voll.
Ein Schild bittet um Respekt gegenüber Elchkühen. Immerhin: Tierschutz statt Frauenrechte.

Nächstes Schild: Die kleine Maddie wird seit 2011 noch immer vermisst. Spurlos verschwunden auf einem Campingplatz ums Eck. Man vermutet, sie sei wohl einem „foul play“ auf den Leim gegangen. Vielleicht vom indigenen Typen auf dem Schild daneben, der kurz danach auch verschwunden ist. Sag nicht ich, stand da.

Die gesamte Szenerie wirkt surreal: diesig-gelbliches Licht, grobgepixelt. Geruch nach gigantischen Lagerfeuern hinter den Bergen, die man wegen des natürlichen Smogs nicht mehr sehen kann. Weites Farmland an die Rockies geklatscht, unter Schleier. Luftqualität ungefähr auf dem Standard von Mumbai. Wettervorhersage: Rauch. Farben wie im Herbst, Temperatur wie in einem Sommer, der sich nicht ganz traut anzufangen.

In Houston trinken wir den ersten Cappucchino seit langem im Tim Hortons. Und zwei Boston Creams auf den Schreck. Chouchou lädt die letzten Tatorte runter. Denn Tim Hortons hat nicht nur den besten Kaffee des Landes, sondern auch das beste WLAN ganz Kanadas.
Im Visitorcenter Houstons steht ein ausgestopfter Bär. Daneben eine der kleinen Kirchen, die inhaltlich seit 400 Jahren kein Update mehr brauchte, aber immerhin hat man die Wände Mitte der 90er nochmal nachgestrichen. Außen hui…und so.
Der ausrangierte Traktor an der anderen Kirchenflanke nickt stolz: Wir sind keine Hinterwäldler hier. Wie gut, dass Sie es sagen, mein Herr.

Hinter Houston Kunstinstallation am Wegesrand: ein mühselig zusammengezimmertes Holzpferd in blau, die Vorderbeine und Ohren weggewittert, ein Künstler, der wohl fliehen wollte. Chouchou gefällt es sehr gut, ich bin der Meinung, dass dieser Gaul es so wohl nicht nach Troja hineinschafft.
Und die Diesigkeit nimmt stetig zu.

Ein Blick auf den Buschfeuerreport British Columbias gibt Aufschluss darüber. Soeben passieren wir den Ortseingang von Vanderhoof, der Ort am Yellowhead Highway, der im Uhrzeigersinn umrahmt wird von vier Waldbränden, die als „out of control“ gekennzeichnet wurden. Die Wetterapp spricht jetzt von »Smog« und warnt vor „ungewöhnlicher Luftqualität“ und tatsächlich fühlen wir uns ein wenig schummerig. Gelblich-diesiges Licht, grobgepixelt. British Columbia erlebt momentan die schlimmsten Buschfeuer seit Beginn der Wetteraufzeichnung. Sommer 2023: ein trauriger Rekordsommer.

Hinter Prince George biegen wir auf den Cariboo Highway in Richtung Süden ab. Die Luft ist hier deutlich besser. Und die Stimmung auf. Das Land wirkt hier wieder weiter und klarer. Insgesamt 7 Bären auf Äckern – ich leider zu eingenebelt, dass ich es schaffe, den Auslöser der Kamera zielgerichtet zu drücken.
Falls jemand fragt, wie man einen Schwarzbär auf dem Acker –rauchbenebelt—von einer pechschwarzen Kuh unterscheiden kann: Die Kuh grast in Gruppe, der Bär steht allein. Und die Kühe sind –wegen benannter Steroide—mindestens dreimal so groß.
Auch ein einsames Reh sehen wir, das soll in diesem Text nicht unterschlagen werden. Rehe stehen sowieso immer hinten an. Die Nummer machen wir nicht mit. Es war ein wunderschönes und sehr elegantes Exemplar.

Nach 430 Kilometern beschließen wir –kurz vor Sonnenuntergang– für heute da zu sein: am Ten Mile Lake.
„Bear is in the area“. One? Eher wohl seven. Und das nicht nur nine-to-five, nehme ich an.

Heute Abend aber juckt uns das mäßig. Nach einem langen Fahrtag fallen wir gleich ins Bett – hundemüde und bärenfaul.
In unserer magischen Maisonette, in der oben Träume nachts geträumt und unten tags gelebt werden.

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