Sasketoon Island Provincial Park – Wie schön ist unser Birkenwäldchen erst, wenn der Dauerregen nachläßt! Und genau das tut er heute morgen, was für eine Wohltat.
Nur gut 100 Kilometer stehen auf dem Plan, die Rockymountains haben wir erstmal hinter uns gelassen, Prärie voraus, besonders der Bulli freut sich über die wieder sanfteren Hügel – dauernd im 2. oder 3. Gang den Berg hochzukriechen war ihm vermutlich nicht nur zu anstrengend, sondern auch ein bisschen peinlich…
Vorbei am größten Biber aller Zeiten:
Dawson Creek voraus: Das legendäre Örtchen am Anfang, Mile 0, des Alaska-Highways. Auf den ersten Blick erstmal nur ein riesiges Versorgungszentrum mit allen bekannten Läden und Fastfood-Restaurants rechts und links der Hauptstraße. Auch auf den zweiten Blick wird sich der Eindruck nicht sonderlich ändern, aber hier ist nunmal Mile 0, hier bleiben wir, wie jeder anständige Yukon- und Alaskareisende.
Checkin auf der »Mile 0 Campsite«, die liegt zwar in Wahrheit bei »Kilometer 3«, bietet aber vermutlich die beste Vorbereitung für die kommenden 2232 Kilometer: Unebener Grund, den unsere Auffahrkeile auch nicht ansatzweise ausgleichen können, Windböen die unerbittlich von der ungünstigsten Seite (das tuen sie prinzipiell) auf das Dachzelt treffen und maximal 12 Meter Abstand zwischen Kopfkissen und Highway – Chérie wird fortan wohl 2 Ohropax in jedes Öhrchen quetschen müssen…
Das angepriesene WiFi läuft zwar nicht, dafür aber die Waschmaschine, und von der machen wir (nagut: Chérie) ausgiebigst Gebrauch. Die Frage, warum Chouchou nur 2 Paar Socken in der Wäsche hat, wird an dieser Stelle nicht weiter diskutiert…!
Unsere Nachbarn, Cora und Tom mit Hundchen Meggy-May aus dem Osten der USA sind nett und plaudrig, in den Prärien hatten sie uns schon überholt und sich gefragt, ob der exotische Bulli das Steuer wohl recht oder links habe. Selber haben sie ihren großen Wohnwagen daheimgelassen – die Spritpreise – und schlagen ihr Zelt auf der Pritsche ihres RAM-Trucks auf. Respekt: Mit geschätzt knapp über 60 auch nicht die bequemste Art des Reisens, aber, gestehen sie, ab und zu darf’s auch mal ein Hotel sein. Ihr nächster Stopp, die heißen Quellen bei Kilometer 764, liegt für uns noch in endloser Ferne, sie wollen es morgen in 8 Stunden bis dahin schaffen. Falls kein Bulli vor ihnen herbummelt…
Ihren Reiseführer »The Milepost«, die Bibel aller Alaska-Reisenden, kennen sie fast auswändig, sämtliche 800 Seiten der 2023er-Ausgabe. Uns ist es bisher, trotz intensiver Suche in Banff und Jasper, bislang nicht gelungen, dieses heilige Buch aufzutreiben, darum müssen wir jetzt rein in die City von Dawson Creek, und ernten mehr als besorgte Blicke ob unseres Plans, die Strecke zu Fuß zu bewältigen. »Good luck, stay safe!«
Auch die Rezeptionistin vom Campingplatz hatte schon befremdet auf unsere Idee, die 3 Kilometer zu laufen, reagiert – das tut hier wirklich überhaupt niemand!!!
Hilft aber nix, das Dachzelt ist ausgeklappt, der Beifahrersitz gedreht, der Strom eingestöpselt: Der Bulli fährt heute keinen Meter mehr.
Und die ersten 3 Kilometer vom Alaska-Highway einmal runter und wieder rauf zu laufen entpuppt dich definitiv als Erfahrung: Bürgersteige hat’s eher wenig, Highway-Seitenstreifen oder lieber über die Wiese? Glücklicherweise hassen Nordamerikaner leise Autos, man hört sie kommen. Laut und deutlich, um nicht zu sagen aggressiv die Motoren, im optimalen Fall noch einen »Fuck Trudeaux«-Aufkleber am Heck des Monstertrucks, liberale Politik oder die Rechte von Fußgängern möchten wir hier am Straßenrand lieber nicht diskutieren!
Aber es hat Fußgängerampeln, für wen auch immer, wenn der 50-Zentimeter-Erdwall am Straßenrand ersteinmal überwunden ist kommt man dann doch recht sicher über den Highway. Und wir zum Mile-0-Milepost, Sehenswürdigkeit Nummer 1 in Dawson Creek, in die Schlange von Wohnmobilen zwecks Mile-0-Photo hatten wir uns mittags mit dem Bulli nicht einreihen wollen, jetzt ist weniger los und wir kommen zu unserem Selfie, leider ohne Magicbus.
Besuch in der Tourist-Office: »Sorry«, The Milepost ist nicht vorrätig, in Ford Nelson solls das möglicherweise geben, schlappe 600 Kilometer weiter gen Norden, das Geld könnten wir uns aber besser sparen, in seiner inkribischen Kleindruck-Meile-für-Meile-Beschreibung soll das Werk wohl extrem schwer lesbar sein – wir fragen uns so langsam, welch mystischem Gral wir hier hinterherlaufen. Und ob die uns hier offenbarte 2-seitige Broschüre und Bell’s Alaska Highway Mapbook nicht vielleicht doch reichen?
Stärkung im Schnellimbiss um die Ecke, die Washrooms verbarrikadiert, die übrige Kundschaft hat wohl weniger Probleme mit der Suche nach obskuren Reiseführern als nach verbotenen Substanzen aller Art.
Irgendwie schlagen wir uns durch zurück zum Bulli, das Navi zählt 12383 Schritte, die hier noch nie ein Mensch zu Fuß gegangen ist.
Schnell noch den Bulli-Kilometerzähler von 9048 zurück auf Null gesetzt: Morgen beginnt der nächste Abschnitt unserer Reise: Der ALCAN, der Alaska-Highway.