Überm Algonquinpark geht heute die Sonne auf. Tatsächlich. Der Dauerregen ist weitergezogen, Dunst liegt über dem Pinienwald. Es ist Zeit abzutrocknen.
Genau genommen machen auch wir heute nicht mehr. Lüften und trocknen. Dicke Decken und enge Hirne, Höckerchen und Tränen. Es ist verrückt, wie Gefühlsextreme nebeneinander –gleichzeitig – existieren können. Die Achterbahnfahrt des Lebens. Und die Globetrottels in einer der vordersten Reihen. Ein Teil davon ganz ungewählt. Manchmal bin ich mir nicht sicher, wie gut ich eigentlich angeschnallt bin.
Mit einem Spaziergang an den See erklären wir unsere heutige Sporteinheit für erledigt. Halb Kanada ist mit uns dort – allerdings im Auto angereist. Selbst, wenn der eigene Stellplatz viel näher am Strand liegt als der unsere. Auch zur Dusche wird eher gefahren als gegangen. Am Morgen bildeten sich dort Schlangen. Washroom-Drive-Thru und danach ab aufs Kanu. Zugegeben ist das eigentlich nicht weniger sportlich. Wir nämlich sitzen nur am Ufer und glotzen.
Erst gegen frühen Nachmittag –nach lüften und fegen und räumen und glotzen und trocknen– sind wir bereit, uns einem einzigen Miniabenteuer für den heutigen Tag zu widmen. Und das nennt sich: vegan grillen über offenem Feuer.
Grundsätzlich ist es so, das der gemeine Kanadier unsere Ernährungsgewohnheiten eh schon mitleidig belächelt. Dem Ganzen lässt sich noch die Krone aufsetzen (Achtung: crown land), wenn bemitleidenswerte Europäer obendrein versuchen, ein sehr männliches Feuer zu entzünden – um darauf dann grünen Spargel und Mais zu grillen. Und irgendeinen zusammengepressten Matsch aus Erbsenproteinen, der anhand von Glutamat versucht verzweifelt nach Würstchen zu schmecken. In unserem Fall: nach den “hot italian” ones.
Die Sache mit dem Feuer gestaltet sich je nach Tagesform. Und immer in Teamarbeit. Natürlich bin ich mir sicher, dass ich den deutlich besseren Überblick habe, was das Firestarting im Generellen angeht. Bocholter Pfadfinderehre und so. Natürlich behauptet Chouchou von sich das Selbe. Ganz ohne Bocholter Pfadfindererfahrung. Ich sag jetzt nix, aber schlussendlich bekommt natürlich wer es an? Genau.
Die ganze Aktion dauert fünf Stunden. Die veganen Würstchen tragen Fell, sind aber durchaus lecker. Und der Spargel ein Gedicht. Außerdem ist es Wellness für Geist und Seele: ein Feuer zu machen. Ich glaube wirklich, dass es kaum etwas natürlich entspannenderes gibt auf dieser Welt.
Ein Feuer braucht Zeit und Geduld. Ein Feuer fordert Frustrationstoleranz und Durchhaltevermögen.
Wenn es dann aber einmal brennt, dann schenkt es Wärme und den heimeligsten Geruch jenseits von Prada.
Wenn es einmal brennt, darf die Welt still stehen und man selbst einen Moment in Ruhe verweilen. Nur Flammen hinterher schauen und dem Knistern zuhören. Mehr muss nicht, nichts muss.
An einem Lagerfeuer darf man einfach sein;
alles denken, alles aussprechen, alles fühlen. Egal, was da ist. Am Feuer ist es in Ordnung so. Wenns schön ist, wenns weh tut.
Am Feuer ist es okay. Immer.
Unabhängig vom dem, der es gemacht hat…(auch wenn wir alle natürlich wissen, wer es war),
meint auch das vegane Fellwürstchen.