Wundervolles Licht am Morgen. Antike Straßenlampen vor sonnigem Wolkenhimmel, ab geht’s in die nächste 19km Etappe. Nach einem der liebevollsten Frühstücke, die die Welt je gesehen hat. Danke Aïsha!

Geilste Pilgersnacks der ganzen Welt gibt’s in der „Drei Törtchen“-Bäckerei von gestern. Unter anderem ein schwarzer Bagel mit sehr viel Lachs drauf: heute vegetarisch.

Über nette Feldwege bergan, nur selten auf Straße. Und wenn, dann fahren Oldtimer darüber: nett ist das und erinnert mit Liebe an Onkel Uwe. Uwe, wir vermissen Dich. 8 Jahre schon.

Passend zur Mittagszeit erwischen wir den Ladenschluss des Tante Emma Ladens und laden —Gott sei dank— noch Eis auf. Erst das zweite auf diesem Camino. Mit letzten Sonnenstrahlen weggeschlabbert, dann beginnt der Regen.

Am kommunalen Sportplatz —heute sehr leer und unsportlich— verpacken wir uns in Plastik. Erstmalig kommen die Gamschen an die Füße: kein leichtes Unterfangen, aber schlussendlich die trockene Variante.
In Vollplastik geht’s —nach zehn Minuten bereits pitschnass— den nächsten Berg hoch.

Ein Tipp für Geister, die unter einer schmalen Emotionsbreite leiden: bei lecker warmen dreizehn Grad im Platzregen einfach mal einen Berg in Vollplastik und mit Gepäck einen Berg rauf stiefeln. Danach leidet keiner mehr unter zu wenig Gefühl. Cave: fällt allerdings nicht in den Bereich „Komfortzone“.

Nach weiteren vier Kilometern reißen wir wütend das Zeug vom Körper. Reiner Überlebenstrieb bei schwimmen im eigenen Saft. Tipp für Geister, die unter schmalen Körpergefühl leiden. Weil man spüren kann, das jede Zelle ausatmen will. Und garstig wird, wenn der eigens abgesonderte Saft nicht entweichen kann.

Frank kommt vorbei und fragt, ob alles in Ordnung sei. Oui, merci. Denn seien wir ehrlich: Nur der Kopf hat Probleme. Wie so oft im Leben. Frank nickt wissend und stiefelt locker vor uns den nicht endenden Berg hinauf.

Durch den Wald, kurz kommt die Sonne raus und verabschiedet sich gleich wieder. Eine schwarze Schnecke kriecht vorbei. Bis hier hin wusste ich nicht, dass sie Eier legen kann. Ein weiteres Wunder Welt, in dem ein Esel freudig hinter uns her galoppiert.
Kleiner Liebesmoment am Wegesrand und dann zieht sich der Himmel auch schon wieder zu.

Nach 18 Kilometern das rettende Kloster in Sauvelade. Anbei liegt unsere Gîte und wieder einmal schlägt der gute, alte Jakobswegslogan zu: Du weißt nie, was Du kriegst.

Die Jungs aus Allgäu und Pott sind schon da und weisen uns auf deutsch ein: wir haben also Zimmer 7. Nicht Bett 7!? Nee. Zu unserer Überraschung gibt es keine Massenzimmer (wie angekündigt), sondern jedem kleinen Schweindl seinen eigenen Stall. Wie toll ist das denn bitte!?

Die Bar öffnet um halb sechs. Emil ist der erste an der Theke, zu dem geselle ich mich doch mal. Emil aus dem Vaucluse. Hat herausgefunden, dass es super ist, seine Frau nicht täglich vom Weg anzurufen. Seit er damit aufhörte, fing sie plötzlich an, ihn sehr zu vermissen, sagt er. Und bimmelt nun zweimal täglich durch. Emil, der Fuchs, hat ganz nebenbei seine Ehe neu belebt. Durchs rar machen.
Dann kommt Wolfgang. Der hält sich an Chouchou und schüttet alsbald sein Herz aus. Über das, was er auf diesem Weg sucht und was er in einem zwei Wochen Trekking in Nepal schon gefunden hat.
Mir fällt hierbei vor allem eins auf: wie sehr ich Chouchou doch liebe für seine Fähigkeit des bedingungslosen Zuhörens:
Kein Wort davon, dass er mit der eigenen Schrottkarre nach Kathmandu gefahren ist. Kein Wort von eigenen Nepalwanderungen. Kein Wort von „Ich“, sondern lediglich wertschätzendes Zuhören und herziges Miterleben von Wolfgangs Geschichte.
Wie sehr ich ihn in diesem
Moment dafür liebe, Wolfgangs Erlebnisse nicht mit einem egozentrierten Satz zu Nichte zu machen, indem er so was los wird wie: „Ja. War auch schon da, kann ich nachvollziehen.“
Kurz darauf kommt Frank. Frank, der seit dem Wald und dem Abwerfen des Plastiks von uns schon weiß, dass die Probleme nur im Kopf liegen.
Wie schade, dass um sieben Massenspeisung (ohne uns) ist. Just in dem Moment, als Frank meine Frage beantworten will, ob dieser Weg —seiner Meinung nach— denn nun wirklich etwas Magisches an sich hat oder eben nicht.

Manchmal glaube ich, es ist vollkommen egal, wie man die Dinge bezeichnet oder belegt.
Wie nennt man es, wenn ein herziger Wirt es nicht aushält, dass man bei einer Massenspeisung nicht mitmachen will und trotzdem kostenlos ein Essen serviert?
Das Fleisch verteilen wir unter den andern und schmausen demütig den Rest.
Ist das ein: „Zur Familie zu gehören, selbst man sich zurück zieht?“
Vielleicht. Ein bisschen.
Wenn man an denn an was Magisches glauben will.
Heute Abend möchte ich das.