Unterwegs im Magicbus

Whitehorse in 15 Kilometern zu Fuß ist …

Whitehorse in 15 Kilometern zu Fuß ist:
…meist am sagenumwobenen türkisgrünen Yukonriver entlang . Eigentlich dachten wir, ab Whitehorse wäre der Yukon eher noch ein Flüsschen, müssen aber lernen–mit Nichten! Also doch kein ungeführtes Kanufahren für uns als blutige Anfänger. Erste Erkenntnis des Tages und ein Strich, statt Haken, auf der Löffelliste.

Whitehorse in 15 Kilometern zu Fuß ist:
unter vollkommen angstbefreiten Möwen zu wandern, die als Bande einen Adler angreifen.Ich überlebe einen Winter bei minus 40 Grad ohne Jacke. Dann krieg ich jawohl auch den Eagle platt.

Whitehorse in 15 Kilometern zu Fuß ist:
…einmal die Klippen hoch zum Ausguck, sich an den Drop-offs verlaufen, von einem Fuchs verfolgt und von Jerry aus Manitoba wieder auf den rechten Weg gebracht zu werden. Jerry trägt einen weißen Rauschebart und eine mit Panzertape geflickte Hose; in der einen Hand einen Stock gegen die Kojoten, in der anderen eine Leine, an der ein winziges Hündchen hoppelt. Jerry ist seit 1967 in Whitehorse: „I came young and foolish. And never left. As they say: If you once come to the Yukon, you might stay forever.” He did.

Whitehorse in 15 Kilometern zu Fuß ist:
…die SS Klondike von außen zu bestaunen, wegen des SS hat sie bei uns allerdings bereits verschissen. Auch wenn das eine mit dem anderen rein gar nix zu tun hat.

Whitehorse in 15 Kilometern zu Fuß ist:
…besonders in den indigenen Communities erneut zu bemerken, wie groß das Drogenproblem ist.
Junkies an den Ecken, schmuddelige Flyer mit Hilfsangeboten, die „Community health center“ brechend voll mit taumelnden Menschen. Stecknadelpupillen, Schlafzimmerblick, Benzobeugung. Der Supermarkt am Ortsende wirbt mit Naloxon-Kits unter der Ladentheke. Wenn wir wollten, hätten wir hier sofort sehr viel Arbeit.

Whitehorse in 15 Kilometern zu Fuß ist:
…trotz allem eine sehr menschenfreundliche Stadt zu genießen nach so vielen Tagen (wenn nicht gefühlten Wochen) der endlosen Einsamkeit. Es gibt Rad- und Fußwege, ein lottriges Kino, regenbogenfarbene Zebrastreifen und eine Transgender Flagge vor der Cityhall, bepflanzte Blumenkübel in der Fußgängerzone, liebevoll gestaltete Cafés, bunte First nations Grafittis an blättrigen Mauern und eine wirklich hilfreiche Lady in der Visitor Office, die obendrein eine Fuchsflüsterin ist. Aber psssst.

Wir fühlen uns sehr wohl in diesem Örtchen am Ende der Welt. Der Yukon hat knapp 40000 Einwohner auf einer doppelten Fläche von Großbritannien. In Whitehorse lebt die Hälfte der Gesamtbevölkerung.
Eine Ansammlung von 20000 wetter- und lebensgegerbten Menschen, die hart kämpfen und hart leben können. Menschen, die ihre Pforten der Welt gegenüber offen halten, trotz aller Beschwerlichkeiten. Selbstverständlich ist das nicht.

Obendrein sind wir auf dem Wohlfühlcamp Nr 1 gelandet.
Vor den Toren des Orts gibt es einen Platz, an dem eigentlich nur Zelte sein dürfen. Weil wir ein wenig raus aus der Monster-RV-Welt wollten, haben wir es trotzdem hier probiert. Einfach mal fragen. Und erneut Glück haben.
Weil wir so klein sind –und eigentlich auch nur ein Auto mit Zelt obendrauf– dürfen wir hier bleiben. Und weil die Stadt so nett ist, werden wir das für insgesamt drei Nächte tun.
Neben uns checken gerade die drei Mopedfahrer aus Illinois ein: laute Stimmen, lustige Geschichten im Gepäck und zum vierten Mal unterwegs nach Alaska.
Daneben steht Hans in seinem Zelt. Mit seinen knappen 70 wartet er auf seine Kumpels aus Süddeutschland, um vierzehn Tage den Salmon River zu erpaddeln. Danach geht’s ab zum Paragliden.
Ein freches Eichhörnchen tanzt auf dem Tisch und möchte Krumen vom Schweizer Sauerteigbrot haben.
Wir sind alle schon jetzt verbunden.

Whitehorse. Es ist ein nettes Zurückkommen in einen Hauch dessen, was wir einmal kleine Zivilisation nannten. Heute aber fühlt es sich wie die große, weite Welt für uns an.
Eine große, weite Welt nach 100 Jahren Einsamkeit…

4 Kommentare

  1. Hans-Jürgen Grundmann

    Als der liebe Gott den Yukon gemacht hat, hat er großen Wert auf eine schöne Gegend gelegt. Das Bauen der Häuser und Städte hat er dann vollständig und ohne Beratung den Menschen überlassen. Und die haben das dann ziemlich ungöttlich bewerkstelligt. Vielleicht ist dort ja auch irgendwo eine Altstadt verborgen mit schönen historischen Gebäuden. But anyway, gegen Eagles kämpfende Möwen und herumstreunende Füchse haben ja auch was! Herrlich! DeP.

    • Anelie

      Liebster dePabels!
      Als Architekturliebhaber ist Whitehorse nicht unbedingt die erste Adresse, das lässt sich wohl so festhalten.😅 Für jemanden, der aus tagelangem Nichts hier auftaucht, fühlt es sich aber wie die Wiege der Zivilisation an.😊
      Spannend, wie alles im Leben immer wieder eine Frage der Perspektive ist…
      Es herzt Dich,
      Deine Anelie

  2. Grundmann, B.

    Wie traumhaft schön ist doch unsere Natur! Mögen die
    Menschen doch soviel Verstand haben, alles dafür zu tun,
    dass unsere Kinder und Enkelkinder auch noch in diesen phantastischen Genuss kommen!

    • Nani

      Liebe deMamels,
      ich glaube, wir sind auf einem guten Weg. Viele Menschen werden sich mehr und mehr bewusst, dass wir alle etwas tun müssen, um die Schönheit dieser Welt zu erhalten.
      Zuversichtlich, immer.
      Deine Nani

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