Unter der deutlich sichtbaren Milchstraße sind wir irgendwann eingeschlummert, ohne, dass die Trolle uns weggeschnappt haben. Vielleicht auch, weil wir uns schlussendlich dann doch entschlossen haben, lieber abzuschließen. Der schwarze Wald fühlte sich an Mitternacht –zur Geisterstunde– einfach zu nah dran an: am Kopf auf dem Kissen.
Zum Frühstück gibt es nach den ersten Sonnenstrahlen einsamen Morgenplantsch – in einer Ostsee, unter einer Sonne, die uns ganz alleine gehört.
Hätten wir noch (Süß-)Wasser gehabt, es hätte uns durchaus passieren können, dass wir noch eine Nacht drangehängt hätten: hier, auf unserem estnischen Traumcamp.
Aber Wasser ist alle – und „Wasser alle“ bedeutet Abfahrt, weil selbst die Globetrottels nicht alleine von Luft und Liebe leben können.
Heute sind wir auf Estlands Landstraßen gen Süden unterwegs, die meist kurvig an weiten Feldern oder geraus durch den Wald vorbei führen, unterbrochen nur von kleinen Dörfchen mit viel Vieh und Kleingärten.

Ein estnisches Elchschild (natürlich ohne Elch weit und breit), dahinter führen Frauen ihre Schoßhündchen an der leeren Schnellstraße spazieren.

Man muss sich schon etwas Mühe geben, um ein Fotomotiv zu finden, entspannend ist das. Um nicht zu sagen: etwas eintönig unspektakulär. Eine Kirchenruine rettet es.
Im Dorf Kullamaa gehen wir im „Coop Konsum“ einkaufen und finden –neben Katze Artur Kuchen– eine estnische Süßschweinerei, die sich „Kohupiimapallid“ nennt: kleine, süße Fettbällchen, die man ganz schnell weghapsen und sich danach direkt ans Stammfett hängen kann. Köstlich.

Kullamaa hat auch eine Kirche, die weitläufig als Sehenswürdigkeit anhand von braune Schildern angepriesen wird. Leider hat das Gotteshaus heute zu, vor dem angehängten Friedhof aber kann man erneut estnische Haute Couture aus dem Lieferwagen heraus kaufen.

Ein Storchennest am Straßenrand – das hätte man eher mal braun ausschildern können, wenn man mich gefragt hätte.
Drei Stunden rollen wir über die Sträßchen dieses kleinen Landes und haben es damit halb gequert als wir im Soomaa Nationalpark ankommen.

Hier im Hochmoor wollen wir für zwei Nächte zu Hause sein, im „Soomaa Holiday Village“.
Was wie eine estnische Ferienverheißung klingt, ist eher ein liebevoller Garten, den Mariella neben dem träge dahinfließenden Flüsschen angelegt hat. Wir parken unweit der Kürbisse und des Tipis.
Den Nachmittag verbringen wir an verschiedenen Orten von Mariellas Biotop: auf der Terrassencouch neben dem kaminbeheizten Aufenthaltsraum, auf dem Steg zum Fluss, an der Feuerstelle und auf meinem persönlichen, neuen Lieblingsplatz: der Sesselschaukel mit Blick aufs gegenüberliegende Flussufer, wo die Schafe grasen. Ein absolutes Traumörtchen – auch zum wach sein.
Der zweite Schal wird endlich fertig und ist genau das richtige Geschenk für das arme, kränkelige Wesen im Magicbus: den verschnieften Chouchou.
In den Fluss muss natürlich einmal gedippt werden, bevor es ans Kochen geht.
Heute gibt’s aus Gründen (s.o.) Gesundküche. Die erste Hälfte koche ich, die zweite muss sehen, wie sie alleine zurecht kommt: weil pünktlich zu Sonnenuntergang die Killermoskitos so hart angreifen, dass man sich –trotz Thermacell—draußen von einen Moment auf den anderen nicht mehr bewegen kann, ohne gnadenlos zerstochen zu werden. Da wird selbst vor Stirn und Augenlid nicht mehr Halt gemacht. Oder vor Parken im Ohr.
Wer meint, dass Skandinavien ein Mückenproblem hat, der ist noch nie in Estland gewesen.
Und so mummeln wir uns also schnell hinein, in unseren Magicbus – die wilden Moskitos draußen lassend, Heizöfchen an und hoffen, dass Chouchou sich morgen gesünder fühlt.
Für eine Runde durchs Hochmoor. Oder zumindest für Schaukeln im Hängesessel – mit Blick auf die Schafe.












