Das wilde Helsinki zu verlassen ist stressfreier als über den Bocholter Ring zu düsen. Wer auch immer dem Reiseführer gegenüber behauptete, dass man ohne Hupe nicht durchkäme!? Es muss wohl ein Häschen gewesen sein, dass während eines Hardrockfestivals unterwegs war.
In zwanzig Minuten sind wir am Hafen – easy durchgerollt.

Die Viking Line tuckert schon an und begrüßt uns persönlich:
„Welcome BNTF23!“ Wie nett.

Die Garagendecke der Fähre hängt tief. So tief, dass wir die Luft anhalten, als wir boarden. Problemlos. Der Magicbus ist also wirklich keine zwei Meter hoch. Im Sonnendunst legen wir –gemeinsam mit melchanolischen Möwen– ab gen Walhalla. Adieu Suomi.

Mit dem Partyboots geht’s über die Ostsee. In der Lounge wird zu finnischem Rock Discofox getanzt, beim Bingo wird eifrig gekreuzt, trotzdem gewinnt keiner.

Zahlreiche Finnen lassen sich unter der Sonne, die auf der Hochsee ihren Nebel ablegt, hemmungslos vollaufen. Während literweise Schnaps aus dem Duty Free getragen wird, starren wir –zollfrei–zweieinhalb Stunden sinnierend auf Blau.

Den Blick zurück gen Finnland gerichtet: ein Land, in deren Weite und mit deren Menschen wir uns sehr tief verbinden konnten.
Es täte der Welt nicht schlecht, grundsätzlich etwas finnischer zu sein.
Mit dieser Erkenntnis endet eine wesentliche Etappe unserer großen Reise. Hier endet unser Kapitel „Ein Sommer in Skandinavien“.

In Estland waren wir noch nie. Als Tallinn in Sicht kommen, staunen wir nicht schlecht.

Erwartet hatten wir ein Kuhdorf mit Schotterstraßen, auf denen sich goldzähnige Schwerbewaffnete auf Wildwestpferdekarren wilde Schießereien liefern. Ein bisschen.
Stattdessen legt die Viking Line an einem modernen, lichten Hafen an, der für jegliche illegale Machenschaften zu überschaubar und ängstlich wirkt.

In Estlands Hauptstadt rollen wir heute nicht weit. Neben teuren Autos knattert sich der Magicbus an der Altstadt vorbei durch hochmoderne Halbhochhausschluchten, die –trotz aller Bemühungen—einen gewissen Ostcharme nicht verbergen wollen.
Zum Beginn dieser letzten großen Etappe –nennen wir sie „Die baltische Heimkehr“– machen wir uns ein Geschenk. Drei Nächte lang gönnen wir uns ein Appartement mitten inneCity und kommen aus der Freude nicht mehr heraus: über ein echtes Bett, ein eigenes Bad mit Dusche und WC, ein richtiges Sofa, einen Wasserkocher und Kühlschrank, eine Netflixglotze, die Farben an die Wand wirft.

Obendrein dürfen wir –nach lieber Nachfrage– die Waschmaschine mit Trockner in einem anderen Appartement nutzen.

Der Himmel im Baltikum.

Und so passiert heute nicht mehr viel. Zweimal kaufen wir noch im ostigen Supermarkt ums Eck ein – die zweite Runde wird nötig, da wir in unserer Kitchenette eine Heißluftfritteuse entdecken und unser Abendmenü entsprechend anpassen müssen: auf „Fritüürikartulid“. Estnisch für „Pommes für die Heißluftfritteuse“.
Im Café ums Eck gibt es Puddingteilchen und Piroggen mit Kohl – die probieren wir noch im Park mit den pinken Rädern und dem Mann, der Blumen trägt…

…bevor wir uns den Rest des Tages im Luxus unserer Unterkunft versenken: drei Wäschen waschen, duschen, einen Film gucken und Fritüürikartulid knabbern, bis niemand mehr Hunger hat.
Ein sehr guter Start nach Estland — wo wir bereits an unserem erstem Tag einem Wunder begegnen. Ein besseres Omen kann es nicht geben.