Nach dem Gewitter war noch Sonnenuntergang am See. Ich stiefele mit einem Stühlchen an und erkläre das Buffet für eröffnet. Innerhalb von dreißig Minuten tun sich die Mücken zwanzig Mal an mir gütig und es ist gut zu wissen, dass wir nicht die einzigen Menschen weltweit sind, die eine Finnlandreise ohne Moskitos erleben. Diese wahnsinnigen Tierchen, die ein sehr gutes Beispiel dafür sind, dass man auch als ganz Kleiner einen durchaus großen Einfluss haben kann. Zumindest auf uns pieselige Menschlein — dem Sonnenuntergang ist das vollkommen wumpe. Er macht, was er will, in all den Formen und Farben, die er will.
In der Nacht versetzt mich das Jucken in unruhigen Halbschlaf. Ich träume von Cholera und unaufhaltbarer Toxinflut, während ich mir genüsslich die Fußrücken an der Matratze wund scheuere. Ein Genuss, der nur bis zum Erwachen hält. Zum Frühstück gibt es also Brennstift.
Am Morgen heißen wir Rita Adieu, die uns aufgeregt erzählt, dass das gestrige Gewitter im Ort mehrere Dächer abgedeckt hat. Vorbei an wüstem Baumbruch verlassen wir das hippieeske Rääkkylä und versäumen nicht, im Abgang noch den buddhistisch gewaltfreien Hund zu befreien, in dem wir ihm einfach die Türe öffnen.
Auf der östlichen Ferienstraße Via Karelia – der „Straße der Lieder, der Poeten und der Grenze“—rollen wir besonnen gen Süden. Immer an der russischen Grenze entlang, der wir uns bis auf 666 Meter (sic!) nähern, bevor die Straße gen Südwesten wieder abbiegt.
Vor dieser Reise haben wir die finnische Ostsee inklusive Helsinki als durchaus nordische Gegend verstanden. Heute –nach Wochen im Dunstkreis des Polarkreises—wirkt diese Gegend im Anrollen beinahe mediterran auf uns. Schroffer Fels, lichte Birken, gelbe Blümchen und das Meer, das eine ungeahnte Wärme in sich trägt.
In Hamina wollen wir eine Nacht bleiben, doch das Camp liegt vollkommen verlassen da. Ein Anruf bestätigt, was wir sehen: Camping closed. Trotz allem dürfen wir bleiben: als einzige Gäste des Platzes, alleine an der Ostsee.
Dies wird wohl unser letztes, stilles Camp in Finnland sein: dieses Land, das uns mit seiner schieren Weite, Wildnis und Urigkeit schlechtweg umgehauen hat, nachdem es uns lange warm umarmt hielt.
An einem der letzten östlichen Zipfel der europäischen Ostsee, bevor deren Busen sein Ende im russischen Sankt Petersburg findet. An einem der letzten nordischen Sommertage…














