Und dann waren sie plötzlich da! Auf dem Weg zurück vom Zähneputzen, kurz vor Mitternacht.
Erst ein sanfter Wirbel, der sich schlierenartig über den Himmel zog – fast grau. Und der dann wie ein Chamäleon seine Farbe änderte in ein sattes, magisches Grün:
Polarlichter!
Vor entrückter Ehrfurcht weiß ich gar nicht, wohin mit mir. Zeuge zu werden von etwas so Großem, von etwas so Unbegreifbaren.
Als würde sich –für einen klitzekleinen Moment—ein Fenster in Richtung Unendlichkeit öffnen. Als würde das große Ganze uns für einen Augenblick kosten lassen von seiner Allmächtigkeit. Als würde man einen Wimpernschlag lang den Blick werfen dürfen in die Ewigkeit des Universums. Als wäre unsere Vergänglichkeit nur eine Illusion.
Und als ich des Nachts raus muss –es ist gegen halb drei—höre ich Kinderlachen.
Der Abschied aus Rörbäck fällt uns am Morgen nicht leicht. Auch wenn das Wetter es uns etwas einfacher macht. Der Himmel weint mal wieder.
Beim herzigen Adieu treffen wir die Frau des Charmanten. Und es freut mich immer so sehr, wenn man die Partner von liebenswerten Menschen trifft und spürt, dass diese ganz genauso reizend sind wie ihr Herzensmensch. Zu wissen, dass zwei Richtige sich getroffen haben, macht mich stellvertretend glücklich.
Nach einem Einkauf (Vorrats-Toscabullar) passieren wir die finnische Grenze und es bleibt verrückt, dass wir just ab diesem Moment –genau wie beim letzten Mal–keinerlei ausländische Autos mehr sehen.
Während Norwegen –allen voran die Lofoten—in fester Hand deutscher Touristen ist, werden es in Schweden schon weniger und in Finnland sind sie gänzlich fort.

Warum auch immer niemand hier her fährt? Unsere Herzchen voller Finnlandliebe können es in keinster Weise nachvollziehen.
Wir rollen durch ein Dorf namens „II“. Nicht wissend, ob es sich nun um „i-i“ oder „el-el“ oder „i-el“ oder „el-i“ handelt.

Weiter in Richtung Oulu: der nördlichsten Großstadt der EU, bekannt für „ausgeprägte Wellnesskultur“, die Luftgitarrenweltmeisterschaft und den schreienden Männerchor „Mieskuoro Huutajat“, deren Mitglieder nicht singen, sondern brüllen.
Kurz dahinter, beim Ölcheckstop im Nichts, schleicht sich ein finnisches Paar an uns heran. Zahnlos und neugierig, hängen sie sich gemeinsam mit uns in den Motorraum, um das Öl zu prüfen. Wild gestikulierend, weil wir keine einheitliche Sprache haben und durchaus verbunden: Menschen unterwegs in Schrottautos. Sie zuckeln genauso zögerlich von dannen, wie auch wir mit unserem Magicbus immer starten.
Die Straßen werden kleiner, die Wälder dichter. Irgendwann biegen wir rechts ab auf eine wellige Piste, deren Asphalt deutlich bessere Zeiten gesehen hat, in Richtung der Binneninsel Manamansalo. Hier wollen wir ein paar Tage bleiben.
Beim Einchecken ins Camp möchte ich meinen zwei Stunden lang geprobten finnischen Satz testen: „Leider spreche ich kein finnisch. Darf ich englisch sprechen?“
Heißt auf finnisch: „Valitettavasti en puhu suomea. Osaanko puhua englantia?“ Und scheitere gnadenlos. Betretenes Schweigen auf allen Seiten. Die Campeltern wissen nun zumindest, dass die einzigen Gäste auf dem Platz ziemliche Vollhonks sind. Einen Platz dürfen wir uns trotzdem aussuchen.
Zwischen schlanken, hohen Bäumen parken wir ein. Wenn man sich streckt, kann man vor hier aus den See sehen.
Ein Buntspecht arbeitet hart, ein paar Bachstelzen kommen vorbei, der Wind pfeift mächtig in den Baumwipfeln, die Sonne fächert sich fingerig über dem Wasser auf.
In der Nacht hören wir dem Sturm zu. Es scheint derjenige zu sein, der hier das Sagen hat.
Wir liegen mucksmäuschenstill in unserem Dachzelt und ich traue mich nicht zu rufen: „Bitte lass die Bäume stehen!“ Heißt auf finnisch:“Jätä puut seisomaan!“;
wissend, dass er mich eh nicht verstehen wird.







