Am Morgen gibt’s Frühstück mit Aussicht: Ei mit veganem Tubenkaviar und Nutella für uns, unauffällig verteilte Brotkrumen für die Vögelchen. Denn der nette Piepmatz, der Dauergast vorm Magicbus ist, soll ja auch nicht leben wie ein Hund. Zumindest nicht, so lange die Globetrottels hier sind.
Vor dem Waschraum unseres finnischen Ferienparks liegt heute Morgen ein Türsteher. Beim Zähneputzen wird´s spannend, ob er uns reinlassen wird: in die welken 60er Jahre Katakomben, in denen sich Duschen, WCS und Sauna verstecken und die schwer an die verwaiste, alte MedPoliKlinik im Herzen Bonns erinnern.

Zum Frischmachen heißt´s abtauchen in die verlassene Anstalt: zweites Untergeschoss, abwaschbare Fliesen, (gefühlt) neben der Prosektur finden sich die Waschbecken.
Der Türsteher aber hat nur beste Absichten. Entspannt kauend winkt er uns durch. Wir können also mit einem strahlenden Lächeln in den Tag starten: durchgewunken von einem Rentier mit Flauschgeweih mitten im Gesichtsfeld und perfekten Hufen.
Am Magicbus zurren wir uns die Wanderrucksäcke auf. Bereit für einen Pilgerweg.
Bis auf den Gipfel des heiligen Bergs Saana, direkt in unserem Nacken, sind es one-way vier Kilometer und fünfhundert Höhenmeter. Los geht’s.
Schnell lassen wir den finnischen Ferienpark mit seiner Zusammenwürflung aus selbst zusammengezimmerten Winterhäuschen, die eine rustikale, pro-gemütliche Gleichgültigkeit ausstrahlen, hinter uns.
Über Stege und Stein geht es erst leicht bergan durch ein Restewäldchen. Es ist logisch, dass es lange so nicht bleiben kann, die Härte des Aufstiegs aber überrascht uns trotzdem, als wir für den Gipfelsturm rechts ab müssen.
Ab nun geht’s gnadenlos bergauf.
Meist auf einem netten, griffigen Großfels, der Freude macht und Grip hat. Einmal über 214 Treppenstufen. Auch Schotter und Geröll folgen –aber nur kurz– und dann kommt die erste Aussicht über den See Kilpisjärvi.
Wir pusten uns weiter bergauf. Den spiegelglatten See zur Rechten, end- und baumlose Weite zur Linken. Die Wolken zaubern wilde Schattenbilder auf das große Nichts, das sich langsam aber sicher auch beim Wandernden ausbreitet. Gegen die Anstrengung beginne ich innerlich zu singen: das Lied der Ojibwe, des indigenen Volkes, das am Lake Superior lebt.
Es hilft. Natürlich.
Nach eineinhalb Stunden sind wir oben. Puderrot und glücklich auf dem Gipfel des heiligen Saana, 1029 Meter über null, mit Blick auf Finnland, Schweden und Norwegen gleichzeitig.

Eine samische Truppe ist vor uns da. Sie zelebrieren als erste ihren Gipfelsturm: mit schamanistischen Trommeln und Drohne, die das Spektakel filmt. Samen der Neuzeit.
Geduldig starren wir auf Aussicht, Geschehen und den Steinkreis kurz vor Gipfel…

… bis wir dran sind.
Kurz vor Abstieg verewigen wir uns noch schnell im Gipfelbuch, bevor es auf stabilen Sohlen flott bergab geht. Aus Norwegen zieht Regen auf, wir sehen ihn über die Berge anschleichen.

Die ersten Tropfen fallen, als wir die Füße auf den Campingplatz setzen.
Zur Belohnung des Tages –und weil das finnische Feriendorf so lustig ist– wollen wir das allererste Mal auf dieser Reise essen gehen.
Unten an der Rezeption hat´s ein Café, das neben sehr viel Rentierfleisch auch ein vegetarisches Gericht auf der Karte hat: „Eggplant-Burger“. Der ist unserer!
Der fleischlose Finnburger ist ein Erlebnis: Aubergine auf nordfinnischem Brotkäse. Das also ist „Leipäjuusto“: das undefinierbare Etwas, das wir vor zwei Wochen vollkommen unwissend in den Einkaufskorb gepackt haben. Nordfinnischer Brotkäse, der –so lese ich später—auch gerne mit Kaffee übergossen oder kalt mit Moltebeeren gegessen wird. Gehört auf jeden Fall in den finnischen Einkaufswagen: ein ungewöhnlicher Genuss.
Um sechs geht´s wieder in die Sauna. Zweckmäßig, geschlechtergetrennt, mit Finninnen, die niemals bange vor zu wenig Aufgüssen oder einem Schnack sind.
Dreimal schwitzen, dreimal kalt duschen, Wärmflasche machen und ab in den Magicbus zum Tagebuch tippen.
Es ist ein Faszinosum, dass in diesem lustigen Park keinerlei Touristen von außer Landes sind. Wir sehen weder Schweden, noch Norweger und schon gar keine Deutschen.
Hier sind lediglich Finninnen und Finnen und FinnenInnenkinder, die wandern, schwitzen, schnaufen, essen, duschen, leben, Feuerchen machen und ihre Zelte gnadenlos in der Schräge aufbauen.
Finnische Ferienparks: ein besseres Eintauchen in die finnische Lebenswelt gibt es, glaube ich, kaum. Es sei denn, man wird Rentierzüchter.
Oder Startup-Unternehmer in Helsinki. Für ungenormte Bausätze zur Zusammenzimmerung von Winterhäuschen, die eine rustikale, pro-gemütliche Gleichgültigkeit ausstrahlen.














