Die Sonne brennt uns um sieben aus dem Dachzelt. Über dem See herrscht Windstille. Surreal.
Es ist, als würden wir an einem anderen Ort erwachen. Ein versöhnliches Auf Wiedersehen, bevor wir weiterziehen.
Als wir der Mama des grauäugigen Samens mit Gummistiefeln Tschüss sagen, sitzen die zwei Mädels, die mit ihren Rädern unterwegs gen Nordkapp sind, und die ich gestern in der Küche in Beschlag nahm, Müsli mümmelnd am Frühstückstisch. Fröhlich wollen wir sie Adieu winken: ungehört.
Beide sind sie zu beschäftigt mit zwei Profiradlern in knappen Höschen, deren Fahrräder teurer als der Magicbus sind und die Sturzhelme beim Frühstück tragen.
So engagiert wollte auch ich mal in den Tag starten.
Unsere Reise trägt uns heute aus Norwegen nach Finnland, nach Schweden, bevor es zurück nach Suomi geht. Natürlich ist auch das Finnland, es klingt im Sprachfluss aber besser: „zurück nach Suomi“.

Zweihundertvierzig Kilometer und drei Staatsgrenzen sind ein Traum für jedes zollparanoide Häschen.
Beim Überschreiten der ersten Grenze spüren wir: Wir haben Finnenbock! Der aber muss sich noch ein wenig geduldigen.
Zuerst muss es einmal kurz nach Schweden gehen: zum Einkaufen, da der norwegische REMO1000 sonntags zu hat. Ich aber kann keinen Meter weiter reisen, solange ich nicht neue Wolle habe!

Wir verlassen den schwedischen KnüsselTanteEmmaLaden kurz hinter der Grenze mit vier, bunten Knäulen und einem Set neue Nadeln. Jetzt kann der Finnenbock kommen.
Hundert Kilometer rollen wir am Grenzfluss Könkämäeno entlang und die Handys spielen verrückt.
Pling: „Willkommen in Schweden.“
Pling: „Willkommen in Finnland“.
Pling: „Nee, sorry. Doch Schweden.“
Pling: „Willkommen in Finnland!? Oder?!“
Auch die Zeit springt hin und her. Ob´s jetzt halb zwei oder halb drei oder doch halb zwei ist?
Verloren in einem Mini-Zeitloch für Grenzgänger.
Fakt bleibt: in Finnland ist es immer eine Stunde später als in Schweden.
Das Land wird weiter, die Bäume gelber, die Berge höher.
Wolken am Horizont, die wirken, als habe sie jemand mit dem Kuchenmesser geteilt. Riesige Sahneberge strecken sich gen Himmel. Chouchou Kachelmann meint, dass dies ein Zeichen für anrückende Gewitter sei.
In Kilpisjärvi heißt uns ein weißes Rentier am Orteingang willkommen. Deutlich erheiternder als der Sturmbock, an dem wir vorbei gerollt sind: eine ehemals deutsche Verteidigungslinie im Zweiten Weltkrieg.
Kilpisjärvi ist der Hotspot am allerletzten Nordwestzipfel Finnlands, wo das Land gemeinsam mit Schweden und Norwegen ein Dreiländereck bildet.
Oberhalb des Sees parken wir am hintersten Rande des finnentypischen Ferienspots „Kilpisjärven retkeilykeskus“ ein. Im Schatten des heiligen Bergs Saana, der direkt in unserem Nacken steil wie eine Himmelsrampe in die Höhe schießt.

Wenn man den schröddeligen Wohnwagen mit Satelittenschüssel ausblendet, darf man unbescheiden behaupten: Wir haben eine unschlagbare Traumaussicht.
Am Abend ist es Zeit, ganz selbstlos einen Teil zur Völkerverständigung beizutragen. Da Chouchou nicht will, erbarme ich mich tapfer, ganz allein und stehe Punkt sechs hufenscharrend am Eingang zur finnischen Sauna. Hallo, die Alemans sind da.
Schon sehr lange wollte ich diesen Blog nutzen, um mich mal in einem vorteilhaften Licht zu präsentieren. Das hier ist es: meine Schwertspitze des multikulturellen Konsens.
Noch Stunden später sitze ich hier –rotgebrannt wie ein Hummer—und tippe diesen Text, während die Wände des Magicbus meine Ausdünstungen reflektieren.
Alles nur aus purer Hingabe zum Integrationswillen in dieses wunderschöne Land, das wirklich und ganz in echt „Suomi“ heißt.






