Aus unseren geplanten zwei Tagen werden insgesamt fünf Nächte. Fünf Nächte, in denen nur viermal die Sonne kurz untergeht, an unserem persönlichen Nordkapp, in Berlevåg.

Ein Ort, der sich rundherum richtig anfühlt; der Grund, warum wir immer wieder –Tag um Tag– verlängern.

Wir wandern hoch nach Tanahorn:
266 Meter über dem Polarmeer, auf dem Breitengrad 70.876225: der nördlichste Punkt unseres gesamten Lebens – mit einer Aussicht, die weiter in Vergangenheit und Zukunft blickt, als ein Mensch es je könnte.

Der Weg dahin ist erst wie durch die Prärie und dann wie auf dem Mond zu wandeln.

Nur ein einsames Albinorentier, das meditierend in der Steilwand steht, ist mit uns hier.

Menschleere, Weite, der Wind der Arktis, Ewigkeit.

Unter der Mitternachtssonne legen nur die Fischkutter ab, die Hurtigruten kommt vorher. Sie tutet sich jeden Abend pünktlich um halb elf in den Hafen. Mit Salz, Tang und Eisigkeit in der Luft. Die Hafenhäuser leuchten wissend.

Spaziergang zum glasklaren Lachsfluss, über einen Steinbruch, in dem surreal bunter Schiefer geschlagen wird.

Weiter, immer weiter bis zum Meer, bis verlassenen Strand. Im Sand: lediglich Rentierhufe.

In Berlevåg Downtown: bunte Häuser, die mitnichten frostfest wirken und es doch sind.

Eissturmresistente Trutzburgen im Disneygartenhäuschenlook. Über die Straßen dackeln Rentiere und warten auf uns am Campingplatz.

Eine Kirche auf Hügel, der Friedhof, eine Fischfabrik, die Neptunbar und ein verlassenes Lagerhaus, das von Möwen besetzt wurde.
Wildes Geschrei im Wind, Hitchcocks „Die Vögel“ in der Arktisversion neben Steinbecks „Straße der Ölsardinen“ auf norwegisch.

Die Molen sind durch gigantische Tetrapoden gesichert. Drei barbrüstige Frauen mit wehendem Haar blicken sehnsüchtig aufs endlose Meer, verzweifelt wartend auf Fischer, die der Ozean bei sich behielt. Irgendjemand hat: „No one is born racist“ an die Mauer gesprüht.

Ein ganzer Tag im dichten Nebel, die Sicht keine zwanzig Meter weit. Unsichtbares Möwenkreischen im Dunst.
Eingemummelt in dicken Decken lesen wir – sechszehn Stunden am Stück. In der Summe vier Bücher an drei Tagen. Mit Wärmflasche auf dem satten Bauch.

Berlevåg.
Ganz sicher werden wir irgendwann wieder hierher zurückkehren.
An diesen Ruhepol am Ende der Welt. Mittendrin.