Mit quietschendem Keilriemen geht’s weiter.
Erster Einkauf im finnischen Supermarkt Sale. Mit uns ist auch die Journalie des „Artic press photos“ da: hochstylish mit Rauschbart, Melone und gemusterter Rentierstrumpfhose über orangenen Gartencloqus. Die Globetrottels sind schockverliebt noch vor dem Frühstück: in so viel unerwarteten Stil hoch über dem Polarkreis!

Für uns liegen heute Kurkkusalaatti (schätzungsweise Gurkensalat?), Leipäjuusto (schätzungsweise etwas Käseartiges in Crepeform) und „inländisches Ohrholz, geschmolzene“ (laut Übersetzer) in der Auslage. Chaga gibt es leider nicht.

Hinter Inari wird das Land schnell weiter und die Bäume kleiner. Die Autoschlange in unserem Schlepptau biegt nach 20 Kilometern links ab: noch 343km für sie bis ans Nordkapp, wir fahren ziemlich alleine weiter geradeaus.

Weites, weites Land im einsamen Norden Finnlands. Diese Straße fühlt sich verlassener an als der Alaskahighway – dort fährt ja wenigstens noch irgendwer.

Kurz vor Utsjoki –Grenzstadt zu Norwegen—halten wir an einem Kirchendorf. Wie Gammelstad, nur kleiner, wurden auch hier Häuschen für die Samen errichtet, damit sie als brave Neuchristen regelmäßig in den Gottesdiensten erscheinen konnten.

In Utsjoki könnten wir nun rüber nach Norwegen hopsen, wir wollen aber noch nicht. Also wieder rechts ab: die letzte finnische Straße 970 immer am Fluss entlang fahren. Bis ins wirklich allerletzte finnische Dorf Nuorgam. Von hier aus geht es wahrlich nun nur noch nach Norwegen weiter.

Es ist vollkommen verrückt, wie schnell eine sich Szene ändern kann; lediglich dadurch, dass man eine Grenze passiert. Links fließt noch immer der gleiche Fluss, noch immer die gleichen Hügel blicken rechts und links stumm. Hinter dem verlassenen Zollhäuschen aber explodieren plötzlich die Farben. Die schmallippigen Weidenröschen sind zurück. In Scharen.

Die Uhren drehen sich eine Stunde rückwärts – obwohl wir weiter gen Osten fahren. Vielleicht wird es ja auch deshalb heller!? 😉

Im ersten Dorf hinter der Grenze wollen wir eigentlich die Nacht bleiben. Bis wir den Campingplatz sehen.
Grundsätzlich würde ich behaupten, dass wir nicht allzu zimperlich sind, wenn es um praktische Übernachtungsplätze geht. Auf einer Baustelle neben der Hauptstraße zu campieren aber passt nun so gar nicht zu dem lebensfrohen Pink, mit dem uns dieses Land mal wieder empfangen hat.
Da wir eine Stunde geschenkt bekommen haben, ist es noch sehr früh am Tag. An der monströsen Brücke ums Eck (auch hier wollen wir nicht bleiben) bekommt der Magicbus Öl und planen wir also um. Nächster Stopp: Polarmeer.

Zu der Strecke, die uns nun erwartet, gibt es keine treffenden Worte.
Nur so viel: Für Norwegen muss es im Himmel einen Sonderbeauftragten geben. Anders kann es gar nicht sein.

130 Kilometer rollen wir durch Welt im Urzustand. Sattgrüne Wiesen auf weichen Hügeln, schroffnackte Felswände im Hintergrund. Baumlos, alpin auf 300 Meter über Meeresspiegel. Mit Hochgebirgswind. Die Seen und Flüsschen lapislazuliblau.
Unverwässert und ohne menschlichen Unfug. Eine endlose Weite, die vergewissert, dass es für jedes Wesen auf der Welt, einen passenden Ort gibt. Immer und zweifellos!
Eine wilde, gnadenlose Schönheit, die zu Tränen rührt.

Als wir am Ende der Straße in Kongsfjord auf das Polarmeer stoßen, haben wir keinen Atem mehr.

Dass hier ein paar Rentiere am Polarstrand rasten, muss eigentlich nicht besonders erwähnt werden: es war vollkommen klar.
Sehr wahrscheinlich besitzen auch Rentiere –genauso wie Bären—einen Sinn für Schönheit.
Wenn ich schon äsen muss, dann mach ich´s doch am Nordpolarmeer. Gemeinsam mit den Kumpels.

Auf dem kleinen Campingplatz am Ende der Welt –ach, ich mag´s ja kaum noch schreiben—haben wir wie immer Glück.
Auf dem schönsten Fleckchen am Platz –einem der letzten—parkt gerade ein Norweger aus. Also parken wir ein…

Die Möwen kreischen, die Sonne scheint.
12 Grad in „land´s end“ Berlevåg, Norwegen. Der arktische Wind sorgt für den entsprechenden Polarchill, ich lege mir eine Decke über die Schultern.
Pünktlich zum letzten Tag des Jahres, da die Sonne weder auf- noch untergeht, sind wir angekommen: an unserem nördlichsten Punkt dieser Reise.
Es ist die allerletzte Nacht, die allerletzte Mitternachtssonne.

Bevor hier – im hohen Norden– die Tage sich langsam wieder neigen.
Hinein, in einen ewig dunklen Winter, der uns als Lichtkinder nie erhaschen kann…