Das gestrige Essen muss noch erwähnt werden. Nicht, weil es so grandios gut war, sondern vor allem heiß. Nepalesischer Fenchelreis ist überall auf der Welt ein Hit, aber besonders wohltuend schmeckt er, wenn der Mensch gut durchgekühlt ist. Innere Hitzemaschine aus dem Himalaya.

Niesel klopft uns aus dem Bett: es ist an der Zeit, weiter zu ziehen und den Zaubersee hinter uns zu lassen. Danke, schönes Glaskogen Naturreservat. Eine bessere Pforte in Richtung Mittelschweden hätte sich nirgendwo sonst auftun können.

Hinter Värmland wird es hügeliger, hinter Torsby wird es einsam. Wir rollen über Straßen wie im kanadischen Westen, lediglich der Wald ist enger und die Straßenführung kurviger.

In einer Nische am Straßenrand frühstücken wir mit Blick auf den endlosen Wald. „Magisch,“ meint Chouchou, der sich plötzlich dreißig Jahre zurückversetzt fühlt: „wie das erste Schwedengefühl damals mit Peter.“
Erste Schneemobilschilder tauchen am Straßenrand auf, die haben im Juli Pause. Im Sommer fährt der Mittelschwede lieber Endzeitkarre. Oder Ghostbustersmobil.

An der Kirche links, achtzigkilometer geradeaus bis zum nächsten Kreisverkehr, dahinter kommt ein schrottiges Sammelsurium namens „Grymb place“. Nun ist es nicht mehr weit.

270km nordöstlich von Glaskogen liegt das Städtchen Mora am Siljansee, siebtgrößter See ganz Schwedens, entstanden durch den Einschlag eines Asteroidens und angeblich die größte sichtbare Einschlagstruktur ganz Europas. Die bekanntesten Persönlichkeiten des Ortes: entweder Eishockeyspieler, Freestyle-Skirennläufer, Metalbandfrontleute und ein Maler namens Zorn. Ab heute bewegen wir uns also auf rauem, aber geschlossenrotem Terrain.

Das spüren wir auch sogleich beim ersten, zarten Versuch, bei VW Mora einen flotten Ölwechsel zu bekommen.

Der Herr am VW-Tresen ist freundlich und deutlich. Ölwechsel? „Not today.“ Nächste Termine im August.
Wir könnten es aber mal bei Mekonomen versuchen, vielleicht haben die noch spontane Termine? Also hin.

Im ersten Mekonomen gibt es leider keine Werkstatt, dafür aber viel günstiges Bulliöl. Das packen wir ein. Die Dame am Tresen ist nicht sicher, ob wir bei den Kollegen, vier Kilometer weiter nördlich in der Werkstatt spontan einen Termin bekämen, aber versuchen lohne sich alle mal.

Im zweiten Mekonomen treffen wir auf einen liebenswerten Herren, der uns leider auch nicht helfen kann, wie er uns traurigen Auges mitteilt. Er sei eh schon im Verzug mit seinen Auftragsarbeiten, obendrein fehle ihm ein Mann und Freitag sei ja letzter Arbeitstag wegen der „holidays“. Welche Holidays?, fragen wir. Er meint Schwedens kollektiven Sommerurlaub, ab nächste Woche haben die allermeisten Werkstätten für mindestens drei Wochen dicht. Wir können es aber mal bei Meca versuchen, sagt er, den Tränen nahe.

Im Meca belächelt man unseren naiven Wunsch nur, in den folgenden Tagen noch zum Zuge kommen zu wollen. „Fully booked.“ Aber wir könnten es ja mal bei Bosch auf der anderen Straßenseite versuchen. Wir können nicht, wir müssen.

Langsam aber sicher rückt ein Hauch Verzweiflung immer näher. Nach Mora wollten wir eigentlich ins nordische Nichts, in Gegenden, wo ein Ölwechsel nicht nur nicht leichter, sondern hunderte von Kilometern-streckenweise quasi unmöglich ist. Der Magicbus aber braucht einen Ölwechsel – noch vor dem schwedischen Kollektivsommer, also: jetzt. Erste Gedanken spinnen sich um eine möglicherweise notwendige Streckenabweichung in die nächstgrößere Stadt Östersund: von hier aus schlappe 400 Kilometer gen Osten statt Norden. Wieviel Lust wir dazu hätten, muss hier nicht explizit erwähnt sein. Die Frage nach einer Werkstatt dort, die noch vor dem Wochenende einen Termin für uns hätte, ist hiermit noch nicht einmal gestellt….

Mit schlaffer Trauermiene schlurfen wir zu Bosch, feilend an einem psychologischen Manöver, wie wir das nächste Mechanikerherz eventuell weich kochen können. Trauermiene ist dafür schon mal gut und muss nicht mal geschauspielert werden, den Satz: „Sie sind schon unsere fünfte Anlaufstelle“ lassen wir weg. Wenn fünf schon abgelehnt haben, fällt es dem sechsten auch nicht schwer. Träne an den Wimpern und rein geht’s: „God dag! We are deeply desparated…“ Das stimmt!

Und wie immer haben die Globetrottels natürlich Glück! Ein Sonnenschein an schwedischem Herren steht hinter der Theke. Kurz überlegt er: tatsächlich sei sein Tag bisher gut gelaufen, alle Auftragsarbeiten seien schon durch. Aber – kritischer Blick auf die Uhr—es bräuchte durchaus Risikowillen, eine Stunde vor Feierabend an einem so alten Auto –kritischer Blick aus dem Fenster auf den Magicbus—noch irgendetwas zu beginnen. Bekanntermaßen seien Karren dieser Art ja Wundertüten.
Mit einem schlagenden Argument aber, bekommen wir ihn dazu, dieses Wagnis heute noch einzugehen: „Wir sind wagemutig und versuchen zwei Tage vor dem Urlaub noch einen Ölwechsel zu bekommen – Sie sind wagemutig und versuchen eine Stunde vor Feierabend so einen noch durchzuführen. Das passt doch gut.“ „Det stämmer,“ sagt er, das stimmt! Und macht sich an die Arbeit.

Schlussendlich werkelt Timo aus Leer am Magicbus. Timo, der sich vor drei Jahren nach Schweden abgesetzt hat, um hier ein wunderbares Leben zu führen, wie er meint: „Viel besser als Zuhause.“ Der Ölwechsel verläuft reibungslos und weil Timo auch einen Bulli hat und sich scheinbar freut, deutsche Bullifreunde zu treffen, guckt er ganz ungefragt noch einmal schnell über den Rest drüber: „Top Zustand, der Bus!“ sagt er und macht uns damit heute zu den glücklichsten Menschen in ganz Dalarna. Tak tak Timo, tak tak Bosch.

Weit schaffen wir es nach dieser Aktion heute nicht mehr. Aber unsere Glücksträhne reißt nicht ab:
In Vamhus –15km hinter Mora—gibt es ein allerletztes Plätzchen direkt am Siljansee. Auf einem Campingplatz mit Dusche und Pizza.

Ein Glücksmittwoch am Asteroidenkrater. Und noch zwei Werktage bis zum schwedischen Kollektivsommer…