Der erste Gedanke nach Augenaufschlag: Nein, Mann, ich will noch nicht gehen. Und genauso wenig tanzen….

Aber es hilft ja nix. Also Rucksack gepackt und weiter. Selbst die neue Mütze, meine unschlagbare „Jesus loves you -Chaquette“, hat sich vor mangelnder Motivation schon heimlich vom Acker gemacht — wohl das Teil im Leben, das nach Erwerb als allererstes wieder verloren ging. Der Appetit kommt beim Essen, der Spurt vielleicht beim Angehen!? Schaun ma ma….

Bei Kilometer 10 (und einem Umweg von tausend Schritten) sind wir endlich in Larressingle: Dörfchen mit der intaktesten mittelalterlichen Verteidigungsmauer westlich von Caraccasonne. Ein Hauch Mittelalterburg für Arme.
Drinnen: einige Touristen, die über halsbrecherische Treppen kraxeln müssen, um vor geschlossenen Geschäftchen zu stehen. Ein Herr malt in meditativer Ruhe die Lettern des Touristenbüros nach, man eilt nicht mit dem Saisonstart hier.
Fotoausstellung an Burgmauer, ein einziges Lädchen öffnet dann doch noch nach unserem Mittagessen (mal wieder Baguette mit Käse), verkauft aber leider keine „Jesus loves you -Chaquette“.
Sehr aufmerksamer Hütehund mit Jagdtrieb im Gras, wir treffen die Australier wieder, die heute sehr frieren.

Weiter geht’s durch Weinberge und über Äcker. Mittlerweile mit der Akzeptanz, dass unsere Fersen auf ewig und für den Rest unseres Lebens schmerzen werden. Wer das annimmt, kann einfacher weitergehen.
Pause im Gras, ein Meilenstein am Wegesrand: „bis nach Santiago noch 1000km“. Olle Pilgerbrücke aus dem 12. Jahrhundert und ein richtungsweisendes Strassenschild für Zweifler:
Rechts -> „L’Inquietude“ (=Unruhe, Besorgnis, Sorge).
Links -> Compostelle
Ein Traum für jedes magisch denkende Menschlein….
und dann sind wir für heute auch schon da.

Montréal. „En Gers“, nicht in Kanada.
Mittenmang hat’s ein B&B für uns (Zugang nur über einen abenteuerlichen Zahlencode, dafür mit eigenem Stempel in der Küche), das wir heute nur mit Raymond aus der Schweiz teilen.
Im Supermarkt holen wir uns das einzige, semi-vegetarische Essen, das sich in der Mikro erwärmen lässt, da in der Pension heute keine Herdplatte zur Verfügung steht. Der Lachs muss für uns heute leider „fleischfrei“ sein. Ansonsten gäbe es nur Brot und Käse und das reicht den Muskeln nicht nach über 20 Kilometern.

Eine Wanne, ein Plausch, dann Füßchen hoch.
Nach einer weiteren entspannten Nacht kommt sie ja vielleicht doch irgendwann noch mal wieder: diese Wanderlust, die verloren ging zwischen Wegekreuz und Acker…irgendwo im Gers. Zwischen Condom und Montreal.