Eines der Highlights des Tages ereilt uns bereits kurz nach 8h: eine Cappuccino Maschine zum Frühstück! Zapfbar unlimited. Die Globetrottels haben schon jetzt keine weiteren Erwartungen an den Tag mehr, da alles perfekt ist


Weitere Freude:
Einer unserer Gürteltierfreunde ist auch hier. Weniger schön: wegen seiner Verletzung. Wir freuen uns trotzdem über das Wiedersehen.
Stempel an der Rezeption: überdimensional. Kurzzeitig ereilt mich eine zwanghafte Zuckung des Augenlids: NICHT über den Rand stempeln…war es schon geschehen. Die Dame am Tresen weiß nicht, dass wir mit unseren Stempelkästchen bis St Jean haushalten müssen. Ich nehme mir vor, das nächste mal, dies zu erwähnen.

Heute nur 5km. Sagt zumindest der Pilgerführer. Schlussendlich werden es sieben mit Gepäck und nochmal dreieinhalb ohne. Unsere Etappe: Decazeville — Levinhac-le-Haut ist also offiziell 10,2 km lang.
Den Mittelfuss freut es. Bei Anlauf wirkt er für einen Moment, als wolle er heute schnell schlapp machen. Dafür quietscht das Knie nicht mehr. Spoiler: bis zum Ende des Tages sollen beide gut durchhalten.

Auf dem Weg zur Kirche Decazevilles stolpern wir geradewegs in eine durchaus realistisch wirkende Militärübung:
Der Kirchplatz ist besetzt von Panzern (der Aufkleber: „Angles morts“ = toter Winkel bekommt hier nochmal eine ander Bedeutung) schwerbewaffnete Jungs mit Gasmasken verstecken sich hinter parkenden Autos. Kurzzeitig bin ich mir nicht sicher, ob wir irgendwas verpasst haben: „Chouchou, hast Du heute Morgen Zeitung gelesen?“ Alles in allem ein sehr seltsames Gefühl. Wie ein gruselige Vorahnung.

Zeit für Kerzen in der Kirche: für den Frieden im Allgemeinen und die Gesundheit im Speziellen.

Nächster Halt: Apotheke.
Aus Wellnessgründen kaufen wir Voltarensalbe. Nicht, weil die was bringt, sondern lediglich fürs Gefühl am Abend auf geschundenen Gelenken.
Tag sieben: wir bauen also bereits jetzt das abendliche Wundenlecken aus. Zum Hirschtalg gesellt sich Voltaren. Später google ich noch: „Selbstmassage Fuß“. Da geht noch was.

Durchs desolate Dorf zum Supermarkt.

Im Carrefour staffieren wir uns bestens aus: die Kinder in uns bekommen Crêpes und Quetschies, die Erwachsenen lokalen Rotwein.
Schwer bepackt geht es ab nun bergauf.

Auf dem Weg nach oben —natürlich zu einer Kapelle— die Frage, ob es vielleicht doch mehr gibt zwischen Himmel und Erde, als das, was wir sehen?
Und: was bedeutet Frieden? Im Tal donnern Schüsse.
Weitsicht.

Oben. Pause.
Ein Schafshütehund kommt vorbei und wird nur im letzten Moment abgehalten an den Rucksack zu pinkeln. Passt ihm nicht: er knurrt. Ich auch.
Kapelle mit Katze. Jakobusfigur.
Ab hier geht’s auch schon wieder bergab — im Sonnenschein.

Glitschiger Abstieg mit Blick aufs nächste Ziel: Livinhac-le-Haut. Unsere Herberge an der alten Brücke über der Lot hat noch lange nicht geöffnet. Für uns heißt das: 3 Stunden Sommerferien am alten Pfeiler.

Wir sitzen im Sonnenschein, knabbern uns durch die Snacks (Oliven, Radieschen; Tomaten, Tartelette), dösen, lesen. Schuhe und Socken aus, die Welt wartet auf uns, ein Salamander kommt zu Besuch. Schön.

Um kurz nach vier checken wir —gemächlich, gemütlich— in unsere Gîte für heute Nacht ein.
Unsere Herbergsmutter gibt uns das Familienzimmer. Inklusive eigenem Bad und Terrasse, supermoderne Küche zur Mit-Benutzung. Schlussendlich nutzen wir sie für das Nüdelchen kochen ganz alleine…

Kurzer Gang durchs Dorf.
Niedliches Livinhac.
Der Name steht auch hier Kopf, ein progressiver Pilger hat eine griffige Empfehlung an ein Straßenschild getaggt: Macht Liebe! Peace.
Jakobsmuschel überall — an Wänden, zu Boden, als Skulptur.
Wanderschuhe mit Blümchen, Mosaike im brüchigen Asphalt, wir rasten an der Kirche des Dorfs.

Schon mehrfach sind wir in der letzten Woche über diesen Satz gestolpert:
„Der Weg gibt dir nicht das, was Du willst. Sondern das, was Du brauchst.“
Heute waren das 7 Kilometer, Sonnenschein und ein Herbergszimmer wie ein Schloss.
Würde es nach uns gehen: Davon bräuchten wir jeden Pilgertag etwas.
Wobei das ja dann „wollen“ wäre!?
Wie dem auch sei.

Heute haben wir es scheinbar ganz genau so gebraucht. Nach einer Kriegsübung.