Heute ist Tag der komischen Vögel.
Nach tagelangen Annäherungen unsererseits reden unser Nachbarn aus Ukee zum Abschluss erstmalig mit uns: ein bärtiger Dad, der morgens dreimal die Nase wie ein startender Düsenjet hochzieht und ausrotzt, seine drei Kinder, seine schweigsame Frau und der Hund. Er war bis dato der einzige, der zu uns Kontakt aufnahm – sehr zum Missfallen des Bärtigen, der „Ruby“ am laufenden Band zu Recht weist. Armes, kommunikatives Tier an der Kette, nicht mal streicheln sollen wir dich, dafür werden alternativ Deine Häufchen unter dem Wohnwagen gesammelt.
Unser nächster schräger Kontakt sind zwei Rentner aus Wesel. Die parken am Wasserfall, an dem wir auf dem Weg gen Osten frühstücken, direkt neben uns ein. Mit einem sehr großem Kommunikationsbedürfnis. So wie Ruby, aber sie liegen an keiner Kette. Zumindest an keiner sichtbaren.
Geduldig hören wir uns ihre Geschichten an: Die Reise lief nicht nach Plan, in San Franscisco gab´s Nebel, bei einer Panne in Thunder Bay zeigte sich der deutsche ADAC nicht hilfreich. Die Route 66 sei sehr enttäuschend – genauso wie die Umweltauflagen in Oberhausen.
In Port Alberni geht’s für uns zum Walmart. Eine kroatische Lady in unserem Alter pest auf uns zu: wegen des Bullis. Den hat sie mit ihrem Mann auch in Kroatien gefahren. Nun leben beide in Kanada – ein fruchtbares Land, endlich wurden sie hier schwanger, allerdings liefen die Dinge politisch hier mittlerweile aus dem Ruder.
Wir stutzen. Hier in Kanada? Was läuft den hier aus dem Ruder?
Die Lady fährt aufgeregt fort, dass sie gestern auf einer Demo war, obwohl sie mittlerweile Angst habe den Mund aufzumachen, da sie ansonsten als „Hater“ verschrien würde.
Ein bisschen riecht es schon jetzt faul, nach dem kruden Motto: „In dieser Diktatur man ja gar nichts mehr sagen“, da gehen alle Alarmlampen an. Und sie fährt munter fort: in den staatlichen Schulen würde den Kindern nur noch Unsinn erzählt. Zum Beispiel, dass sie sich aussuchen können, ob sie Junge oder Mädchen sein wollen.
„Verstehe, es ist Dir also zu liberal hier?“ Jetzt stutzt sie. „Wir als Globetrottels würden uns gerade deshalb hier in Kanada sehr, sehr wohl fühlen.“ Vielen Dank und auf Wiedersehen, das Gespräch ist hiermit beendet.
Mit Verlaub, wir sind bestimmt bereit uns andere Sichtweisen anzuhören, aber in diesem Moment, an diesem Ort, kommt mir echt die Galle hoch. Ich habe mittlerweile so was von gar keinen Bock mehr auf diese gequirrlte, intolerante, „man darf ja gar nichts mehr sagen“-Scheiße des rechten Mainstreams.
Diese Wut –und sie ist groß– braucht etwas Zeit um wieder abzuflauen. Genau genommen bis Rathtrevor Beach.
Hier ist die Welt wieder in Ordnung. Ohne queerfeindlichen Mist.
Nichts gegen komische Vögel. Wir sind bestimmt selbst welche. Alles erlaubt, was Welt und Andersartigkeit einlädt.
Aber sich die –durch innere Enge und Angst hervorgerufene– Feindlichkeit anderer auf einem Supermarktparkplatz ungefragt an den Kopf werfen lassen zu müssen, das möchte ich einfach nicht mehr in diesem Leben. Ein Mädchen möchte ein Junge möchte ein Mädchen sein. So what!? Lass sie doch.
Mal auf die Uhr geschaut?! Es ist 2023. Und manchmal glaube ich: kurz vor zwölf, wenn ich so einen Bullshit höre…