Meeresrauschen beim Einschlafen. Mal wieder. Ganz entfernt knackt es irgendwo, dreimal in der Nacht stupse ich Chouchou an: „Hast Du das auch gehört?“ Ja, schnuffelt es aus dem Kissen, dreht sich um und schnorchelt weiter. Am Morgen wird uns klar, wer das Knacken war: der Bär ist wieder da gewesen. So steht es auf dem Porcupine-Update. Dass ich in meinen Träumen Tatzen an der Bullitür hörte ist damit wenigstens nicht allzu weit hergeholt. Tatzen, die durch herrlich wilden Nordurwald tapsen. Der Magicbus des Nachts umarmt von „Viburnum edule“: Gewöhnlicher Schneeball mit giftige roten Beeren und Bärenschnauben, einen schöneren Nachtplatz hätte ich mir kaum vorstellen können. Noch immer lost in the wild.

Zu „lost in the wild“ passt auch, dass wir mittlerweile unser Brauchwasser pumpen müssen. Wir pumpen – das ist zu fünfzig Prozent übertrieben. Der, der es verbraucht pumpt auch, meint Chouchou und filmt zumindest die Schwerstarbeit. Danach könnte ich mich eigentlich erneut mit einem Waschläppchen frischmachen. Chouchou braucht das nicht, er riecht ja nie.

Zum Frühstück gibt es Schweinedonuts auf die Pfote. Das geilaussehende Quietschbuntstückchen und die gerollte Zimtstange von gestern sind noch da. Fluffiger Teich, der im Munde zergeht, zuckrig weich, gaumenschmeichelnd. Zimt macht glücklich. Und Zucker auch.

Die Straße nach Seward ist reines Bauland. Im kurzen Sommer muss alles wieder passierbar gemacht werden für einen Winter, in dem die Straßen weitestgehend eh unpassierbar sind. Dank Dauerbaustelle im Sommer nun auch.

Der Magicbus gibt auf grobem Schotter sein Bestes. Mit ein wenig auf-und abschwellendem Weinen vorne rechts unterhalb der Kühlerhaube hoppelt er über tiefe Schlaglöcher den Moose Pass rauf und wieder runter und ist danach so eingesaut, dass er nun zweifelsohne zu unserem Hygieneniveau passt. Wir schreiben seinen Namen in den Staub auf unserer Wohnzimmertür und malen ein Herzchen daneben. Als Hippiemobil kann er in Seward nun auf den Hafen schauen. Ein wenig dubios scheint ihm das schon zu sein, zumindest deute ich so sein weiteres Heulen.

Seward. Neben Homer eine weitere Zivilisationshochburg der Kenai Peninsula. Der Hafen hier wirkt allerdings gebrauchsfertiger. Inklusive viel Fisch fischen von Land aus.

Das südliche Ende des Ortes ist für Scharen von Campingtouristen reserviert. Auch für uns: Ein winzig kleiner Saubulli zwischen rollenden Villen, frisch aufpoliert. Neugierige Blicke und allgemeines Mitleid sind uns hier mal wieder sicher.
In der ersten Reihe am Wasser ist nichts mehr frei. Kurzentschlossende sind in Seward Zweitreihenparker und haben damit schon Glück. In der Hauptsaison wäre hier spontan wohl kein Rad an den Boden zu bekommen. Ein Vorteil der Schultersaison.

Auch Schultersaison: Nasse Plane im Wind.
Die hängen wir grundsätzlich als erstes raus. Nicht zum trocknen, das wäre vertane Liebesmüh, sondern damit sie im Häuschen nicht gammelt. Und damit wir uns trocken in unserem Vorgarten bewegen können.

Im Vorgarten koche uns Eier mit Seeblick. Dicke Mütze auf dem Kopp, mummeliger Schal um den Hals gegen die Seebrise, Blick auf schaumiges Zweitereihewasser und Wolken, die tief hängen. Und plötzlich realisiere ich endlich wieder, was ich in den letzten Wochen irgendwie beiseite geschoben hatte: in was für einem Traum befinden wir uns eigentlich gerade? Welchen Traum dürfen wir gerade leben?

Wir stehen mit einem eingesauten Magicbus an der Küste Alaskas. Selbst hingefahren, von Halifax aus. Gesund. Und immer wieder bauen wir im Trockenen auf.
Plötzlich spüre ich es wieder – Was für ein Traum! – Beim Eier kochen mit Blick aufs Fjord im Nieselregen, im Trockenen unter wildwedelnder Plane im Wind. Ein normaler Eierkochgedanke womöglich. Innen butterweich, außen hart.

Als der Timer nach 6,5 Minuten klingelt, lacht dePabels mich vom Display an. Mitten aus dem Leben, die Eier sind fertig.
Und ich spüre, dass die Liebe niemals aufhört. Sie wird niemals weniger. Die Liebe ist immer da. Egal, wenn´s außen hart ist, Hauptsache innen butterweich.
Und in diesem Moment bin ich so dankbar, dass ich weinen muss.

…und manche finden sich wieder.