Unterwegs im Magicbus

Golf von Alaska oder: The reincarnation of chicken biryani

Das Wetter bleibt Alaskan: selbst der Waschbär von gestern Nacht war pitschepatschenass, es hilft aber nichts: heute ist ein Bucketlistmoment dran. Da kann es stürmen oder schneien. Heute werden wir Gletscher gucken. Koste, was es wolle. Vom Boot aus.

Am Check-In der Major Marine Tours informiert man uns, dass das Wetter nicht bestens geeignet dafür sei. Für Gletscher müssen wir auf den Golf von Alaska raus. Dort sei es wegen eines aufziehenden Sturms heute „very bouncy“. Zu 50 Prozent werde der Captain wohl eh umdrehen. Boarden dürfen nur Leute auf Drogen, sprich: volldosiert auf Antiemetikern. Die gibt es großzügig unter der Ladentheke. Man empfiehlt uns umzubuchen, gegebenenfalls ginge Samstag wieder ein Schiff. Aber im Alaskan Herbst weiß man das nie genau. Vielleicht eine kleine Hafenrundfahrt als Alternative?

Wir wollen keine Alternative, wir wollen Gletscher, siebeneinhalb Stunden lang. Das fifty-fifty Risiko gehen wir ein. Und wählen unter den zahlreichen Möglichkeiten der bunten Pillen die Bonnies: Eine für Chouchou, zwei für mich und los geht’s.

Man weist uns Bank 22 zu. Sechs Stühle nur für uns, gleich neben der Kaffeebar und mit Seeblick vor salztropfenreichen Fenstern. Rechts außen sitzt eine indische Truppe, die von jeglicher Wetterwarnung unbeeindruckt scheint und sich vor Abfahrt erstmal ordentlich die Bäuche mit Chicken Biryani vollfuttert. In Indien ist man ein anderes Gefahrenniveau gewöhnt.

Der Resurrection Bay steckt voller Wildleben. Wir sehen spielende Ottern im Sturm, irgendwelche Jägervögel und ein paar Adler im Wind. Der Captain spricht von Mountain Goats, wahnsinnig schnell schwimmenden Delphinen und Puffins, die außer ihm aber niemand sieht. Er hat auch ein paar Bonnies drin.

Die erste Passage im Golf ist tatsächlich ein wenig „bouncy“. Den Indern rechts von uns wird langsam blümerant. Mit den Köpfen liegen sie auf den Tischen und dösen. Wegen Chicken Biryani ein großes Wunder verpasst. Hoffentlich war es zumindest lecker.

Holgate und Aialik Gletscher.
Der Katamaran bahnt sich seinen Weg langsam durch schwimmende Eisschollen. Die See ist im Fjord etwas ruhiger geworden. Und dann, ums Eck, im regnerischen Nebel plötzliches Kristallblau, surreale Strukturen, die das Auge nicht kennt, woher auch? Ins Meer strömendes Eis, je 8 bzw. 7km lang, gespeist vom Harding Icefield der Peninsula.
Es ist still. Der Katamaran schaukelt jetzt sanft auf weichen Wellen, im Auge des Sturms, wo sich nichts mehr bewegt. Und auch die Passagiere mit Männer und Frauen, im Dämmerlicht schon das Ufer schauen. Ganz ruhig, bevor ein großes Stück Eis mit grollendem Geräusch zu Wasser fällt. Gekalbt. Auf vegetarisch. Welch ein Privileg, diese schwindenden Riesen, diese vergänglichen Wunder der Erde erleben zu dürfen. Nur die Robben auf den Eisschollen zeigen sich gänzlich unbeeindruckt.
Gletscher, so what!? Der war ja schon immer hier.
Eben.

Nach ein paar Stunden geht es wieder hinaus auf den Golf von Alaska. Irgendwie müssen wir ja auch wieder zurück. Hinaus aus den ruhigen Fjorden, in die Holgate und Aialik Gletscher münden. Das geht nur über die Golfpassage. Hier hat der angekündigte Sturm mittlerweile Fahrt aufgenommen.
Was folgt, hat selbst der Captain in den letzten 20 Jahren Seefahrt vor Alaskas Küste noch nicht erlebt. Die Wellen sind fast haushoch. Der Katamaran taumelt irgendwo dazwischen. Horizont erscheint ganz kurz und verschwindet sofort wieder in einer Gischt, die gnadenlos auf uns zuhält. Das Boot gefühlt nur eine Nussschale, verloren auf der See.
Die Angestellten teilen erst Ingwerbonbons und direkt danach tapfer Tüten an alle Mitreisenden aus. Mit Handschuhen. Die wissen, was sie tun. Auf indischer Seite reinkarniert das Biryani Huhn und wird als Chicken Masala wiedergeboren. Wir haben –Gott sei Dank- genug Bonnies drin und finden alles super und wahnsinnig lustig.

Zurück an Land. Nach siebeneinhalb Stunden Abenteuer auf See macht es den Braten nicht mehr fett, dass wir als allererstes nach Heimkehr im Sturzregen doch lieber nochmal umparken. Der Magicbus muss mit dem Popo in den Sturm, nicht mit der Stirn. Weil wir da draußen gesehen haben, wie es gehen kann. Nun kann der Pazifik toben wie er will. Tanzen auf Bullis Hinterseite ist tausendmal besser als uns heute Nacht unterm Vordach den Skalp zu nehmen.

Ach Alaska. Wer sagte es so schön?
Du bist wirklich ein wilder Ort. Auch Deine Seestürme tragen Gefahr in sich. Und einen Hauch ungezügelter Freiheit.
Ein Freiheit, die endlich, endlich raus will. So wie Chicken Biryani auf hoher See.

2 Kommentare

  1. Dagmar

    Wow, sehr schöne Fotos.

    • Joana

      Ach Dagmar,
      und trotz des wilden Regens ein so unglaubliches Erlebnis!
      Deine Sonne packen wir trotzdem dankend ein.💕
      Eisgekühlt,
      Deine Joana

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