Und wieder war es beim Zähneputzen – diesmal aber bei Chouchous Beißerchen:
„Chérie, komm schnell! Schnell!!!“
In dieser Nacht aber ist es kein einzelnes Licht, das einsam am Himmelzelt steht. In dieser Nacht ist es das gesamte Firmament, das in bunten Farben leuchtet. Aurora ist wieder da.
Ewig stehen wir in der stürmischen Kälte und können uns gar nicht sattsehen – an diesem Privatspektakel hoch oben über uns.
In sich ständig verändernden Formationen dreht sich grün um pink – mal als senkrechter Strahl, mal als satte Fläche, mal als waagerechtes Band.

Erst um zwei schaffen wir uns loszureißen gen ins Bett – mit Füßen wie Eiszapfen und beim Einschlafen denke ich:
Nie wieder werde ich darüber jammern, dass der Magicbus keine Nasszelle hat! Denn hätten wir uns über einem Verpasserwaschbecken bettfertig gemacht, wäre Aurora still an uns vorbei gezogen. Nie wieder also werde ich darüber stöhnen, dass der Magicbus kein Bad hat.
Vor uns liegen heute 170 Kilometer gen Osten. Über wellige Straßen und durch einen einzigen Ort namens Sotkamo, wo wir tanken.

Weiter bis es in Finnland nicht mehr geht: bis Kuhmo, dem angeblichen Tor zur wahren Wildnis Finnlands. Für Menschen, denen es bis hierhin noch nicht naturnah und verlassen genug war.
In Kuhmo selbst ist bereits der Hund begraben. Das anvisierte Naturinformationszentrum hat zu, ein paar rostanfällige Autos kurven zwischen Tanke und schneesicherem Schulgebäude umher. Im wohlsortierten S-Markt aber tummelt sich Mensch.
Mal wieder packen wir nur das Leckerste ein, der heutige Hit: eine Fetablätterteigtasche und undefinierbare Pfanneküchlein (vielleicht?!) aus dem Kühlregal.
An der Kasse steht ein älterer Herr mit einer Sammlung an Pfandbons hinter uns. Der Versuch ihn vorzulassen, löst allgemeine Irritationen aus. Irgendwann aber traut sich der Herr, sich still und leise vor unseren vollen Wagen zu schleichen. Und mich beschleicht auf einmal das ungute Gefühl, dass wir möglicherweise ein zu lautes Bohei gemacht haben bei einem unauffälligen Versuch, kurz vor Monatsende die Rente aufzubessern.
Fünfzehn Kilometer hinter dem Dorf –Richtung Urheilkukeskus und Russland– liegt der Nationalpark Luonnonsuojelualue.

Mit einem einzigen, verlassenen Camp, das von einer älteren Dame geführt wird, die nebenbei noch selbstgestrickte Socken verkauft.
Mein „Valitettavasti en puhu suomea!“ (=Leider spreche ich kein finnisch.) versteht sie auf Anhieb, eine gemeinsame Sprache haben wir damit nicht, auch wenn ihr Englisch einen Tick besser ist als mein finnisch. Einen Tick.
Mit Händen und Füßen verstehen wir aber auch so sehr schnell, was die Augen bereits sahen: der Platz ist vollkommen menschenleer. Und wir dürfen hier überall sein.
Über dem See nieselt es sich am Nachmittag etwas ein.
In Finnland macht das gar nix, weil in Finnland die nächste Sauna nie weit ist. In unserem Fall: nicht mal weit weg vom See. Genaugenommen knappe fünf Meter.
Die Campmama hackt Holz und heizt ein, schwitzen darf ich ganz alleine: zwischen dem Knistern von Holz, das wie Zunder brennt und dem Zischen des Aufgusses. Auf einem klassisch-finnischen Einmalsitzläppchen hockend frage ich mich, wie ich jemals eigentlich weiterleben soll – ohne Finnsauna und anschließendem Eisbad im kalten See!? Und der Heizkessel brodelt und ruft: „Nicht nachdenken. Komm Fußbad machen.“
Am Abend kocht Chouchou unter der sich plusternden Bergerplane.

Hungrig wartend in einem Wimmelbild, das sich „zu Hause“ nennt, gibt es genau zum richtigen Zeitpunkt beste vegane Chorizo-Hotdogs. Mit Liebe in der Pfanne gewendet vom begnadetsten Chefkoch östlich von Kuhmo, der diesen Schmaus mit einem Dessert aus Heidelbeeren und Quark abrundet.

Sicher ist: bis zur russischen Grenze kocht hier niemand besser.
Oder hast Du schon mal einen Vielfraß mit Michelinstern gesehen?










