Unterwegs im Magicbus

Baltimore: Kein Geld mehr für Regenbogenschaum

Seltsame Träume in der Nacht – was auch immer dafür verantwortlich war. Es muss am ehesten das Sturmtief gewesen sein, das hinter unserem Rücken davon düste. Oder der wagemutige Verzerrsprung aufs Bett – ein Reminder, dass die Knochen nicht mehr 15 sind und Betthüpfen mittlerweile zu Extremsport zählt.
Vielleicht aber war es auch das Fernsehprogramm!?
„Ghosts caught on camera“ ist möglicherweise nicht das perfekte Lullaby für Menschen, die zu magischem Denken neigen. Hundemüde war ich leider irgendwann so angegruselt, dass ich weder einschlafen, noch weggucken konnte. Eine Pattsituation.

Beim Frühstück jedenfalls sind wir die besten Opfer für lauwarmen Kaffee und die in Schleife laufende Matratzenwerbung: Rechts warm, links kalt, bei Bedarf wird der Schnarcher automatisch in die Senkrechte gefahren. Ein Top-Produkt, das wir plötzlich unbedingt haben müssen. Eine geisterabweisende Oberfläche kann man bestimmt als besonderen Specialeffect gleich mitbestellen.
Call now for: NO-SNORE-DREAM-MAT, die Ghostbusterversion.

Über Nacht hat der Winter zugeschlagen: auf dem Magicbusdach liegen gut 7 Zentimeter Neuschnee.
Ein Tusch: dies ist der Moment, da wir wirklich drei Jahreszeiten durchfahren sind. In einer Woche.

Durchs Tabakland geht’s wieder weiter gen Norden. Upper Marlboro fliegt vorbei und wir grübeln, wie sie wohl aussehen, diese teuflisch guten Pflanzen, von denen man kaum die Finger lassen kann. Chouchou tippt auf ein Mais-ähnliches Äußeres, ich würde etwas Bärlauchartiges vermuten. Schlussendlich haben wir beide Unrecht.

Pipipause im Baumarkt. Damit wir so einen in Amiland auch mal gesehen haben. Vorbei an exzessiven Kühlschränken –alle mit Ice machine– sehr bad und sehr toll. Die gigantischen, aufblasbaren Weihnachtsmänner und Grinches lassen wir nur schweren Herzens in der Auslage liegen. Die Magicbuscrew ist leider voll besetzt, Panzerklaus würde –auf Grund des Platzmangels– mit seinen zwei langen Fingerchen seinem Namensvetter Santa nur ein Loch in den Bauch pieksen. Und das will ja niemand. Wolken wir gemalt über einem eiskalten Adventshimmel.

Baltimore ist bald in Sicht. Wir landen mitten in Downtown und kurz darauf mitten im Ghetto. Alles in allem wie in einem zauberhaften Gangsterfilm, hoppeln wir über die schlechtesten Straßen seit sehr langem: hallo Baltimore, letztes Ziel unserer jetzigen Reise. Unglaublich.

Die City ist heute aber noch nicht dran. Wenn sie als City überhaupt irgendwann dran ist, wir sind ja lediglich hier, um den Magicbus einzutüten. Also rollen wir erstmal durch und vorbei. Um das Meer zu sehen. Den Ort, auf dem der Bulli bald alleine reisen muss. Nur mit TF 23 (spaceshuttle-erprobt) und Sir Hilly (magenfrei, er kann gar nicht brechen) als Beschützer im Laderaum. Die restliche Crew fliegt auf Grund mangelnder Seetauglichkeit mit uns.

Der Blick aufs Meer gestaltet sich schwerer als gedacht. Der North Point Grünstreifen östlich der Stadt ist gesperrt, das nahe Örtchen Edgemere steht einigermaßen unter Wasser – neben sehr viel Privatstrand, gehobenen Booten und der ernst gemeintesten Weihnachtsgrinchfamilie des gesamten Staates Maryland.

Aber wir schaffen es:

Next Stop: Micky´s Carwash.
Der Magicbus soll glänzend aufs Meer, da trifft es sich gut, dass Micky, anscheinend der König von Edgemere, der über ein Reich von Autowäsche, Markt, Liquorstore und Tanke herrscht, am Rande des schwimmenden Dorfes eine Self wash-Anlage installiert hat. Mit allem Pipapo. Schade nur, dass wir kein Geld mehr für Regenbogenschaum haben.

Beim Einchecken ins Best Western am knüsseligen Stadtrand glauben wir noch, den Großteil der Tagesaktivitäten hinter uns gebracht zu haben. Anscheinend aber haben wir die Rechnung ohne den Wirt gemacht. Ohne uns.

Was auch immer uns reitet: plötzlich fangen wir unabgesprochen an, was wir eigentlich für morgen liegen lassen wollten: die Bombe im Magicbus einschlagen lassen. Und das geht so:
Mit einem rollenden Gepäckwagen im Schlepptau schleichen wir uns auf Zehenspitzen an den Magicbus an, reißen bei drei die Seitentür auf und werfen in Windeseile den gesamten Bulliinhalt der letzten 7 Monate auf den armen Kofferkuli, der kippelnd im Winterwind schlackert.
Nur mit vollem Körpereinsatz lässt sich das Biest über den Parkplatz schieben – hey, how´re you doin´?, was guckst Du denn so? Unser Check-in im Hotel sieht immer aus.

Unauffällig knarzend schieben wir uns freundlich lächelnd an der Rezeption vorbei, ein kläglicher Versuch, den Kuli mit unseren Körpern vor Blicken abzuschirmen. Zwei Tüten flüchten vom Wagen durch die Lobby, kullern aber nicht allzu weit. Nur zwei Meter, einmal zehnter Stock bitte.

Auf zwei Betten lässt sich super ausbreiten. Chouchou rechts, ich links. Auf den Wusel, fertig, los. Wer als erster schnarcht wird gnadenlos in die Senkrechte gefahren.

Nach drei Stunden haben wir die ersten Häuflein sortiert: das geht mit auf die See, dies hier darf fliegen, der Rest kommt in den Müll. Letzte Wäsche waschen in der Badewanne – leider wieder ohne Regenbogenschaum. Ein Tanz mit Hut, eine Anprobe: der Flatterrock aus Tombstone sieht eigentlich doch ganz gut aus – vor einem leicht nach hinten geneigten Mogelspiegel. Mit cottonfields at home auf den Ohren und nach Sonnenuntergang.

Da sind wir also: Baltimore.
Nach einer Reise, deren GPS-Logs –würde man sie wie bei Malen-nach-Zahlen verbinden—aussehen wie ein Flamingo ohne Beine.

Das also sind die Fakten:
Ein Flamingo-ohne-Beine- Roadtrip, kein Geld mehr für Regenbogenschaum und niemand, der einen schnarchend in die Senkrechte stellt.
Den Globetrottels ihren Best-of-Trip durch Nordamerika…

1 Kommentar

  1. Micky

    Ich werde eure Berichte so vermissen 😔

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

© 2024 Die Globetrottels

Theme von Anders NorénHoch ↑