Unterwegs im Magicbus

Sedona: Spiritueller Nachtext nach Vortex

Der Abend wurde noch recht dynamisch. Um zehn donnert es über den Platz: „Quite furious I am!! FURIOUS, do you hear me?“ Es sind die Plauderboys von nebenan, die sich ordentlich an die Köppe kriegen.
„MAD am I, do you hear me?“ Oh ja, wir hören dich. Und die Knarre auf dem Beistelltisch erbebt in Vorfreude: Moin Leute, hat´s hier einen Job für mich?!
Gott sei Dank nicht. Der Unbewaffnete ist so klug, sich nach den ersten vier Hasstriaden ins Führerhaus des Jeeps zu verziehen – die zwei machen das anscheinend nicht das erste Mal– sein very pissed Partner bleibt schmollend auf dem Klappstuhl zurück.
„So pissed I am,“ und das bis zwei und bei vier Grad Außentemperatur.
„Very pissed, do you see?“ Oh ja, wir sehen es, der Unbewaffnete nicht. Der hat mittlerweile sein Augenkläppchen auf und schläft tief und fest im Auto.
Dynamische Beziehung nennt man das wohl. Und siehe: der spirituelle Strudel über der Stadt erreicht anscheinend nicht jeden.

Am Morgen gibt es –Gott bewahre—keine toten Floridensianer im Staub. Über der Wüste ist es totenstill. Als seien wir alleine am Platz. Das alte Hundchen dreht seine Runden und pinkelt ans Zelt der Kids aus Texas. Ein harmonischer Morgen. Nur die Kontaktlinsen wollen nicht so richtig. Staub in jeder Ritze, muss ich fünfmal abspülen, um sie irgendwie ins Auge zu kriegen.
Kratzig, die Feinstaubwüstenkurzsicht – und ockerfarbene Taschentücher.

Unser erster heiliger Ort in „Spiri-Hochburg“ Sedona, ist die Amithaba Friedensstupa.
An rotglühendem Hang, Gebetsflaggen zwischen Kakteen, eine meditierende Frau im Regenbogenpullover, Tibet in der Wüste.
Wir drehen die Gebetsmühlen im Uhrzeigersinn. In dem geht’s auch um die Stupa, achtmal, für den achtgliedrigen Pfad. Was so in Ladakh im Himalaya steht, wirkt in der Wüste nicht weniger unpassend.
Ein Ort für alle, ein Ort des Friedens und Gebetssteine im Boden:
„Speaking words of wisdom: let it be“ – „We are all walking each other home” – “How lucky am I to have had something that made saying goodbye so hard”….

Fünf Kilometer weiter haben die Katholiken ihr beeindruckend spirituelles Plätzchen in den Fels gebaut. „The chapel of the holy cross“, ein modernes Meteora.

Golfcaddys fahren Fußlahme den Berg hoch und verteilen Halloweensweeties für alle: Süßes, statt Saures. Nur der Heiland bekommt nichts ab. Der hängt –wie eh und je—einsam und alleine leidend am Kreuz, während sich die mehr oder weniger Gläubigen die Bäuche mit Zucker vollhauen und die Aussicht genießen.
Wer sich auf dem Fußabdruck vor dem Altar platziert, kann ihm direkt in die Augen schauen. Ein stechender Blick, selbst bei den Kauenden nicht neidisch. Ein älterer Herr hilft seiner wackeligen Frau hinauf, dass sie im Angesicht des Herrn baden kann. Ein „do you see“ der anderen Art.

Sedona –the cathedrale without walls– ist bekannt für seine angeblichen Vortexe: energetische Luftwirbel, denen eine spirituelle und heilende Wirkung nachgesagt wird.

Besonders am Cathedrale und am Bell Rock schwirren die wohl durch die Gegend, einen kleinen Hauch davon hätten wir natürlich auch ganz gern. Leider sind die Parkplätze pickepackevoll, ein Fuß nicht an den Boden zu bekommen. Wir müssen uns also mit esoterischen Fernwirbeln zufrieden geben. Quasi: Distanzerleuchtung.
Und ein Bettler mit einem Schild auf dem „Angels needed“ steht.

In der durchweg ocker-rot erbauten Stadt –Kanten sind anscheinend nicht erlaubt, wenn man den Standardbau beachtet—reiht sich ein Spirigeschäft ans nächste: Kristalle, Heilerden, organic healing food oder Yogamatten in der Auslage, Aurafotographie hingegen bietet jeder an.
Spirituelles Wohlergehen „to go“ für die zahlende Masse – denn auch der Kapitalismus kann heilig sein.
Manifest money. And money will come to you. It´s a holy law.

In einem mexikanisch inspirierten Patio erlebt man den herannahenden „Dia de los muertos“ hingegen auch kostenlos. Ein farbenfrohes Fest zu Ehren der Toten, die am 2. November zu Besuch aus dem Jenseits kommen und das zeitgleich mit dem heutigen Halloween startet.

Ein tröstliches Fest in bunt, es passt in den heutigen Tag. Und Chouchou als gefallener Engel.

Kurz hinter der City parken wir für heute Nacht ein. Mal wieder BLM-Land, mal wieder für lau, mal wieder mit einem unbezahlbaren Ausblick.
Die Sonne geht in einem Rauchnebel knallorange unter. Passend auch das, zum Dia de los muertos: weil die Toten gelb und orange am besten sehen können; Farben, die sie brauchen, wenn sie sich auf den Weg zurück in Richtung Erde machen.

Am Abend putzen wir uns den orangenen Staub aus der Nase und wischen uns ocker aus dem Gesicht. Die Lunge versucht mit Nachdruck, den Feinstaub von den Alveolen zu husten – ein gewirbelter, ein heilender Staub. Nur schade, dass das die Bronchien noch nicht wissen.
Sedona. Was für ein esostrudeliger Tag…

2 Kommentare

  1. Grundmann, B.

    ❤️

    • Nani

      ❤️❤️
      Das Doppelte zurück…

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