Unterwegs im Magicbus

Von einer Zeremonie, einem Waldbrand und einem Lörracher Roadblock

Mit einem spektakulären Sonnenuntergang in pastell ging die Welt gestern unter. Mystisch wirkende Felsen im Wasser und weiterhin kein Horizont in Sicht am Lake Superior – abends noch bezaubernder als nachmittags, sollten wir unseren Campingnachbarn für die grauenvolle Musik dankbar sein, die sie lautstark bis zehn Uhr aus scheppernden Autoboxen spielten. Ansonsten wäre die Perfektion nicht aushaltbar gewesen.

Kaffee gibt es um 7 Uhr. Der Verkehr am nahe liegenden Highway ist noch nicht losgerollt. Es ist Sonntag, auch unser Discopärchen schläft aus. Das ist gut, denn so können wir nach Kaffee Nummer 2 entspannt mit unserem Schäufelchen in den Wald ziehen.

Das Schäufelchen: eines der drei wichtigsten Dinge, die man zum Überleben im Magicbus braucht. Daneben gibt es nur noch den Handfeger. Und täglich meterweise Zewa.
Monster-Vanlife-Tipp: Ende. You are welcome.

Die Agawa Fels Pictogramme –30 Kilometer von unserem Übernachtungsplatz entfernt– waren als “on the road – mal eben anhalten – und dann weiter” Punkt für die heutige Reise in der Reise geplant. Wir lesen vorab, dass dies ein heiliger Ort der Ojibwe ist, die vor 150 bis 400 Jahren Ockerbilder an den Fels in der Brandung malten, um dem Donnervogel Dank zu zollen.
Wir lasen mit den Augen nur. Uns war ganz und gar nicht klar, dass dieser Ort weiterhin aktiv spirituell genutzt wird.

Und so schliddern wir ganz unverhofft in eine kleine Zeremonie. Gesang und Rasseln schwingen über den ruhigen, klaren Lake Superior, der heute niemanden von den Klippen reißt.
Stattdessen werden wir –zufällig und uneingeladen– Zeugen eines gesungenen Anrufs von wem auch immer: Manitous? Dem Donnervogel? Wir wissen es leider nicht, aber es ist ein Geschenk, dabei sein zu dürfen. Ergreifend, intim, schleusenöffnend. Ein Ströpfchen weinen ist nicht nur erlaubt, sondern vollkommen angemessen. Finde ich zumindest.

Dann kommt über 100 Kilometer erst mal gar nix. Genauso angemessen.

Kurz vor Wawa liegen die Scenic High Falls mit lustigen Totempfählen für Touris. Foto geht, denn ich habe Teile meiner Facon wiedergefunden (Nur den Kringel unter dem “c” finde ich auf dem Computer leider nicht. Sei´s drum.)

Wichtiger als Touritotempfähle ist für uns jedoch der nächste Tim Hortons in der Zivilisation. Denn wir brauchen Kaffee. Und Zucker. Und Wifi. Für Erlangen der weiterhin noch ausstehenden Facon – mit Kringel natürlich, der hier als Donut daherkommt.
Dass ich in einem Monat Kanada 5 Kilo zugenommen habe, soll hier nicht verschwiegen werden. Passiert halt, wenn man ständig nach seiner Facon und entsprechenden Kringeln sucht…

Hinter Wawa kommt 100 Kilometer wieder gar nix.
Umso gruseliger ist es, als wir am Fluchtpunkt des Highways plötzlich eine gigantische Rauchsäule sehen, auf die wir direkt zusteuern müssen.
Was tun? Das Internet befragen? Geht nicht. Radio? Läuft nicht. Umkehren? Same way back to Wawa? Wollen wir eigentlich nicht.
5 Kilometer weiter stehen fünf rußige Feuermänner an der Straße, die fragen wir. „No worry, Ma´am,“, die Straße ist sicher. “Got a couple of fires goin´,” es brennt allerdings nur rechts und links des Highways. Na dann. Weiter geht´s. Allerdings nicht rechts und nicht links. Nur geradeaus, natürlich.

Unverbrannt kommen wir im Pukaskwa Nationalpark an – weiterhin in der großen Hoffnung, nun doch endlich mal einen Elch zu sehen. Angeblich “tummeln” die sich hier im Hinterland. Neben den Schwarzbären.
Am Campingplatz ist kein Personal, man entschuldigt sich dafür am Check-In-Häuschen mit: “Sorry, we´ve missed you.” Trotzdem dürfen wir uns ein Plätzchen im Wald suchen, in dem tatsächlich einiges los ist.
Im Schritttempo rollen wir durch den Nadelwald, Ausschau nach unserem geeigneten Eckchen haltend, als plötzlich eine sonnenverbrannte Frau –Typ Grundschullehrerin– vor den Magicbus springt und Chouchou zu einer Vollbremsung zwingt. “Ah Deutsche!,” brüllt es durch den Forst. Echo in den Bäumen. Wenn hier Elche sein sollten, haben die bereits jetzt für die nächsten Tage Reißaus genommen.
“Wie lange unterwegs? Auch ab Halifax? Aha. Und wie lange noch?” Fragen wie aus der Pistole geschossen, Antwort egal, man will eigentlich nur loswerden, dass man aus Lörrach ist, erst dann wird die Straßenblockade wieder freigegeben. Be-fremd-lich.

Und so endet unser Sonntag am Lake Superior mit einem wilden Potpourri an Erlebnissen:
Erwacht mit endloser Aussicht, am heiligen Ort an einer indigenen Zeremonie teilgenommen, einen Wasserfall bestaunt, einem Waldfeuer entflohen, einen Lörracher Roadblock im Nichts überlebt. Und jetzt gegen wir Sonnenuntergang gucken.

2 Kommentare

  1. Hans-Jürgen Grundmann

    Ja, die Erlebnisse und Abenteuer nehmen nun Fahrt auf! Jetzt kommt das ursprüngliche Kanada. Und dank Tim Hortons muss der Bully nun einige Kilos mehr schleppen. Er wird‘s verkraften!🤣 deP.

    • Joana

      Liebster Pabels!
      Ein paar Kilos mehr schafft der Magicbus ohne Probleme. Im Zweifelsfall einfach mehr Öl reinkippen, dann läuft er schon.
      Zuversichtlich, mit einem Boston Cream zwischen den Zähnen,
      Deine Anelie

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