Nach einem schwül-drückenden Fahrtag, der mit einem kühlen Dip in der Quelle begann, mit einem sportlichen Kojoten weiterging bis nix mehr weiterging (dank Endlosstau auf der Landstraße), erwachen wir an diesem Morgen in Kissimmee.

Kurz vor Sonnenuntergang waren wir eingerollt: weit ab von nichts.
Angeblich „dry prairie“ in Florida, im Halbdunkel sahen wir vor allem Marsch. Und Vögel – viele Vögel, Wasservögel.
Vom „klarsten Sternhimmel Floridas“ allerdings sahen wir nichts, da Wolken vor dem Himmelzelt standen – dicht, wie wir es gerne gewesen wären. Stattdessen aber haben wir Feuer gemacht.

Mit einem wunderbaren Spirit erwachen wir bei klarem Sonnenaufgang, der kurz über der gar-nicht-so-trockenen-Prärie aufgeht – klar, wie ein Sommermorgen, die Schwüle ist über Nacht abgezogen. Immerhin bis Mittag. Ein Tag zum Küssen – quasi „Kissi me“ in Kissimmee.

Zum Frühstück besuchen uns wilde Truthähne: die letzten ihrer Art. Denn heute an Thanksgiving landen 46 Millionen ihrer Vetter in den Bratöfen der Amis. Sie sind also Überlebende, ein paar Rehe glotzen deshalb mitfühlend und lieb.

Dann kommt der lustige Camphost vorbei mit seinem Chihuahuahundchen, das heute Gebrechen hat. Trotzdem teilen wir ein Lachen, das über diese Wiese kaum abzieht. Fast schade, dass wir weiter müssen.

Wir rauschen an riesigen Farmen vorbei. Kühe unter Palmen – wirkt wie ein Knick in der Optik. Hätte ich das im Kunstunterricht so gemalt, hätte mein Lehrer Herr Pohl mit rot daneben geschrieben: Falsch! Kühe stehen nicht unter Palmen. Herr Pohl ist anscheinend nie in Florida gewesen.

Südlich des Okeechobeesees (Florida= Held der Doppelbuchstaben) beginnen die Everglades. Zumindest auf dem Papier.

Wir sehen vor allem Obstplantagen: Papayas, Wein, Mangos und Undefiniertes zwischen Palmenalleen (Doppelkonsonanten, wir können sie auch!): es ist unübersehbar, dass wir im Obstkorb des Landes gelandet sind.

Mittelamerikanisch anmutende Menschen ackern auf den Feldern, fette Villen daneben, wohlsortierter Anbau in Reih und Glied, die Werbetafeln am Straßenrand sind auf Spanisch. Der Umstand, dass die Obststände am Wegesrand viel zu oft zwischen unerwartetem Müll liegen, schafft es kaum, die Lust auf Saftiges zu mildern. Wenn dauerhaft Orangen am Fenster vorbeifliegen.

Wie so oft aber, liegt auch hierhinter ein Drama auf den zweiten Blick.
Das Wasser, das für die Plantagen gebraucht wird, stammt aus den Everglades: diesem fragilen Ökosystem, das deshalb auf der Roten Liste des gefährdeten Welterbes geführt werden muss. Da die Trinkwassergewinnung dem Grasfluss die Lebensgrundlage entzieht.
Tatsächlich sind die Everglades genau das: ein Fluss. Einer, der 60 Kilometer breit ist, dessen Wasser allerdings nur einen Meter pro Stunde fließt. Aber immerhin.
Ich habe die Everglades immer als Sumpfgebiet verstanden – auch das ist falsch. Vielmehr sind sie eine Prärie, die den größten Teil des Jahres überschwemmt ist.
Bei feuchten 27 Grad rollen wir durch den Eingang des Nationalparks. Mitten rein in den trägen, breiten Grasfluss.

Wir schlagen uns unmittelbar auf den Anhinga-Trail – natürlich in der Hoffnung auf Krokos. Und natürlich finden wir keine.
Wie so oft, wenn man etwas zu angestrengt versucht. Auf dieser Reise war es bisher immer so, dass wir alle großen Tiere getroffen haben, wenn wir nicht mit ihnen rechneten. Vielleicht wir es auch mit den Alligatoren so sein!?
Immerhin sehen wir Seerosen auf glasklarem Wasser, eine Pumawarnung und endlos viele Vögel. Weißer Ibis, (natürlich) Anhingas und massenweise Silberreiher. Ich bin mir nicht sicher, glaube aber: sie sind die geheimen Könige der Everglades. Wir werden es in den nächsten Tagen prüfen.

Auf den Long Pine Key Campground haben wir ein Plätzchen reserviert. Wegen Thanksgiving und langem Wochenende.
Neben dem einzigen Generator des Parks parken wir ein, auf einem Platz über dem ansonsten wohltuende Stille liegt. Bewusst registrieren wir das erst, nachdem wir das gesamte Camp schon aufgebaut haben. Dann überlegen wir.

Eigentlich ist es so, dass wir –vor allem wenn das Camp schon steht— im Annehmen von Situationen einigermaßen ergeben sind. Man könnte auch sagen: faul. Insbesondere nach 300 Kilometern quer über feuchte, subtropische Landstraße – sind wir froh, einfach anzukommen. Heute aber rappeln wir uns nochmal auf. Frei nach dem Motto: Love it, change it or leave it, versuchen wir es erstmal zu ändern. Da das Lieben eines lauten Nachbargenerators „Annehmen für Fortgeschrittene“ wäre. Sollte es nicht klappen, kann man das mit der LOVE ja auch später noch probieren.
Schlussendlich müssen wir unsere Liebesfähigkeit nicht erproben. Die netten Ranger teilen uns einen neuen Platz zu. Mitten zwischen den Zelten, da sind wir eh besser aufgehoben.
Weil Dachzelt auch Zelt ist und der Magicbus eh kleiner als jeder normale Amischlitten, der mit tent anbraust.

Zwischen spanischsprechenden Zeltern, international zirpenden Zirkaden und ganz ohne Generator lässt es sich nun fein Thanksgiving feiern.
Ohne toten Truthahn für die Globetrottels…