Beim Klang des Wellenrauschens einschlafen. Die Wellen des Pazifiks, westlichste Wellen, die wir jemals in unserem Leben hören werden. Geborgen sein. Gehalten. Frieden.

Auf dem Homer Spit ist der ganz schnell vorbei. Die einen sagen, die Landzunge vor der Altstadt des Ortes sei Partyplace No.1 von ganz Alaska. Bösere Zungen behaupten, es sei mal wieder dringend ein Tsunami notwendig, damit dieser Schandfleck endlich weggespült wird. Für uns ist Homer Spit weder das eine, noch das andere.

Lustigbunte Häuschen und touristische Buden reihen sich eng an eng. Immer unter dem Geschrei der Möwen. Kitsch und Fisch wird gewinnbringend an eine fröhlich zahlende Kundschaft vertickt. Lachs, „Been in Homer and survived“-Tshirts, Austern, Schund. Am Wochenende meist an Ausflügler aus Anchorage, ausländische WoMos sehen wir mittlerweile nicht mehr im Herbste Alaskas.

Fähren und Taxiboote legen am Lands End ab, dort parken wir und erkunden das Zünglein zu Fuß. Ich weiß nicht, ob es am europäischen Ästhetiksinn liegt, dass wir es etwas bedauerlich finden, dass Homer Spit vor allem auf autofahrende Gäste ausgelegt ist: Die einzige Zufahrt ist pickepackevoll geparkt, man knattert von Shop zu Shop mit dem Pickup, manchmal wird der Motor einfach laufen gelassen. Der schmale Fußgängerweg am Hafen hingegen ist vollkommen leer, die Lädeneingänge zur Straße hin ausgelegt. Als zu Fuß Flanierender sieht man nur Budenpopos und riecht die Gebläse der Restaurants, die nach hinten hin auspusten. Immerhin bei Hafenblick.

Auf dem zentralen Campingplatz stehen riesige Mobile eng an eng, mitten im Halligalli. Nach zwei Stündchen Rundgang entschließen wir, dass wir die Nacht stiller verbringen möchten.
Ausge-homer-t. Auch, weil wir für die zentralen Angebote „weltklasse Heilbutt fischen“, „weltklasse Lachs angeln“, „Elche schießen“ und „700 bis 1000 Dollar Flüge zu den Grizzlys“ nicht die direkte Zielgruppe sind.

Wir parken heute Nacht an einem ruhigen Meeresplätzchen ein, am Ende des Örtchens Anchor Point –in keinem Reiseführer erwähnt.

Als ich zu Beginn dieses Textes schrieb: „westlichste Wellen, die wir jemals in unserem Leben hören werden“, wusste ich, dass das gelogen war. Ich wusste es allerdings heute Morgen noch nicht.
Anchor Point ist nun wirklich der allerwestlichste Punkt, der in Alaska mit einem Magicbus erreicht werden kann. Weil die Kenai Peninsula hier nochmal ihren Bauch ausstreckt. Homer läge –wollte man weiter diesem Bild folgen– zwischen Bauch und Schamgegend, Anchor Point ist der Nabel.

Dieses ist es also wirklich: unser Ende der Welt. Ungelogen.

Wir laufen zehn Kilometer den einsamen Strand auf und ab. Einmal bis zur Mündung des Anchor Rivers ins Fjord und wieder zurück zum Magicbus. Surreales Licht über dem Wasser, wildeste Wolkenformationen, kalter Wind, Möwengeschrei. Auf der gegenüberliegenden Seite des Fjords schneebedeckte Gipfel, menschenloses Land, der einsame Augustine-Vulkan.

Weite ohne Ende, wir sind ganz alleine. Fast.
DePabels ist auch noch da.